Wednesday, February 19, 2025
Ukraine-Treffen: Macron sagt Nein zu Kampftruppen
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ukraine-Treffen: Macron sagt Nein zu Kampftruppen
Michaela Wiegel • 21 Mio. • 3 Minuten Lesezeit
Einen Kampfeinsatz französischer Soldaten auf ukrainischem Boden zur Sicherung einer möglichen Waffenstillstandslinie hat Emmanuel Macron kurz vor dem zweiten informellen Ukraine-Treffen am Mittwoch im Élysée-Palast ausgeschlossen. „Frankreich bereitet sich nicht darauf vor, Kampftruppen zu entsenden“, sagte Macron in einem Interview. Angedacht werde vielmehr die Entsendung von Militärfachleuten. In begrenztem Umfang könnten auch Truppen entsandt werden, aber „außerhalb jeder Konfliktzone, (…) um die Ukrainer zu stärken und Solidarität zu zeigen“, so Macron.
Laut der Regionalzeitung La Dépêche sagte Macron: „Wir denken über Sicherheitsgarantien nach.“ Diese sollten hauptsächlich aus verstärkten Waffen- und Munitionslieferungen sowie Hilfe bei Ausbildung und Instandhaltung bestehen. Die Frage einer militärischen Präsenz in der Ukraine stelle sich erst, wenn ein Waffenstillstand abgeschlossen sei, und „um die Ukraine dauerhaft vor einem neuen Angriff zu schützen“, zitierte ihn die Zeitung Ouest France.
Auch Kanada und Rumänien sind nun in Paris dabei
Am Nachmittag wollte der französische Präsident mit den Staats- und Regierungschefs Griechenlands, Schwedens, Finnlands, Belgiens, der Tschechischen Republik und der drei baltischen Staaten in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen beraten. Auch die Regierungschefs der beiden NATO-Verbündeten Norwegen und Kanada wollten sich zuschalten. Der rumänische Übergangspräsident Ilie Bolojan wurde kurz vor der Videokonferenz im Élysée-Palast von Macron zu einem Gespräch empfangen und nahm an der Konferenz teil.
Aus vielen EU-Hauptstädten war Kritik an Macron laut geworden, der zu dem informellen Ad-hoc-Gipfel am Montag nur sechs EU-Länder sowie Großbritannien eingeladen hatte. Bolojans Stab hatte sich besonders laut beschwert. Rumänien verfügt über eine 600 Kilometer lange Landgrenze mit der Ukraine und befindet sich aufgrund seiner Lage am Schwarzen Meer in einer strategisch wichtigen Position. Es sind dort seit 2022 mehr als 1000 französische Soldaten auf dem NATO-Stützpunkt Cincu stationiert. Rumänien steht im Fokus amerikanischer Kritik. Vizepräsident J.D. Vance hat angeprangert, dass das Wahlergebnis der ersten Runde der rumänischen Präsidentenwahlen im Dezember „aufgrund fadenscheiniger Verdächtigungen“ annulliert worden sei.
Im Mittelpunkt der Gespräche am Mittwoch sollte wieder die Frage stehen, welche Sicherheitsgarantien die NATO-Verbündeten ohne die USA geben können. „Alle haben es als wichtig erachtet, die Rolle klären zu können, die die Vereinigten Staaten direkt oder indirekt gewillt sind, am Tag danach für die Sicherheit der Ukraine und Europas zu spielen“, sagte Macron. Der amerikanische Präsident begrüßte die Idee von europäischen Friedenstruppen in einem Fernsehinterview. „Ich bin voll und ganz dafür. (…) Wenn wir ein Friedensabkommen haben, dann wäre es eine gute Sache, Truppen aus Europa zu haben“, sagte Donald Trump.
Warnung vor Russland, Lob für Trump
Macron lobte den Dialog zwischen Amerikanern und Russen als „nützlich“, aber „ein dauerhafter Frieden kann nicht ohne die Ukraine verhandelt werden“. Macron sagte, er habe Trump nach dem Treffen die Sorge der Europäer übermittelt, dass ein einfacher Waffenstillstand den Konflikt nicht dauerhaft befrieden werde. Die Frage der amerikanischen Absicherung eines möglichen Waffenstillstands sei zentral. „Russland ist eine Atommacht, das ist für die europäischen Partner ein Schlüsselpunkt.“ Für viele EU-Partner sei auch ein Mandat der Vereinten Nationen notwendig.
Macron äußerte auch Anerkennung für Trumps Verhandlungsstrategie. Der Amerikaner schaffe „strategische Ambiguität“ für Putin. „Joe Biden sagte, dass er niemals Truppen ins Feld schicken würde, und gab Putin damit zu viel Einblick. Der neue Präsident verwendet sehr entschlossene Worte und schafft Unsicherheit“, sagte Macron der Zeitung Le Parisien zufolge. Er sei bereit, mit Putin zu sprechen, wenn dieser ihn anrufe. „Russland stellt eine existenzielle Bedrohung für die Europäer dar“, warnte Macron.
Moskau greife die europäischen Länder bereits auf unterschiedliche Weise an, sagte Außenminister Jean-Noel Barrot am Mittwoch im Radiosender RTL. „Wenn wir vor der Bedrohung die Augen verschließen, wird sich die Front immer weiter zu uns verschieben.“ Barrot hatte sich am Dienstagabend mit dem amerikanischen Außenminister Marco Rubio ausgetauscht. Dieser habe ihm zugesichert, dass Europa in die Verhandlungen einbezogen werde. Über die Frage einer militärischen Absicherung eines Waffenstillstands werde erst am Ende gesprochen. „Niemand will derzeit Truppen in die Ukraine entsenden“, sagte Barrot. Es gehe jedoch darum, die Fehler im Umgang mit Moskau nicht zu wiederholen. Die Minsker Vereinbarungen seien gescheitert, weil man Moskau zu sehr vertraut habe.
Die Regierung will die Franzosen darauf einstimmen, dass die Kriegsgefahr „seit 1945 noch nie so hoch war “, wie Premierminister Francois Bayrou es formulierte. Präsident Macron kündigte an, in den kommenden Tagen alle Fraktions- und Parteivorsitzenden versammeln zu wollen, um über höhere Verteidigungsausgaben zu sprechen. Bislang liegt Frankreich bei der Unterstützung der Ukraine im Mittelfeld.