Friday, February 7, 2025

Stimme aus Shanghai: Deutschland soll mit China gemeinsam US-Dominanz brechen

Berliner Zeitung Stimme aus Shanghai: Deutschland soll mit China gemeinsam US-Dominanz brechen Michael Maier • 4 Std. • 3 Minuten Lesezeit Die US-amerikanischen Technologie-Konzerne wollen massiv weiter in Künstliche Intelligenz (KI) investieren. Offenkundig lassen sich die Unternehmen nicht von Warnungen bremsen, die erst kürzlich laut geworden sind und zu einem Schock bei den Technologie-Aktien geführt hatten. Das chinesische Unternehmen DeepSeek hatte ein Modell präsentiert, das mit einem Bruchteil der Kosten auskommt und vergleichbar gute Ergebnisse liefert. Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta haben im Jahr 2024 insgesamt Investitionen in Höhe von 246 Milliarden Dollar getätigt, berichtet die Financial Times (FT), gegenüber 151 Milliarden Dollar im Jahr 2023. In diesem Jahr wollen sie die Summe auf 320 Milliarden Dollar steigern. Die Mittel sollen für den Bau von Rechenzentren für Chip-Cluster verwendet werden. Die Unternehmen halten den Aufwand laut FT für notwendig, „um an der Spitze der Forschung zu großen KI-Sprachmodellen zu bleiben“. In China wird diese Entwicklung nicht nur aus Wettbewerbsgründen mit Sorge beobachtet. Jiang Feng, Professor für europäische Studien an der Shanghai International Studies University (SISU) und Chairman of the Board of Shanghai Academy for Global Governance and Area Studies (SAGGAS), sieht vor allem die „Kombination aus technologischem KI-Monopol und politischer Zentralisierung zur Bildung politischer Oligarchien“ als problematisch an. Die „zunehmende Kontrolle über die Erzeugung, den Besitz, die Beteiligung und die Verbreitung von Daten und Informationen verzerrt die politische Ökologie“. So werde die Künstliche Intelligenz „von einigen wenigen Ländern und Unternehmen beherrscht“. Der Chiphersteller Nvidia halte 90 Prozent des GPU-Marktes und 80 Prozent der KI-Chips. Jiang: „Das beispiellose technologische Monopol führt zu einer hohen Konzentration von Reichtum und Macht, was für das Streben der Menschheit nach politischer Gleichheit und allgemeinem Wohlstand keine gute Nachricht ist.“ Einige wenige große Technologieunternehmen würden immer größer und nützten das für politische Ambitionen. Dies habe sich jüngst bei Elon Musks Aktivitäten in der EU gezeigt. Jiang stellt fest, dass „technologische Eingriffe in die Politik sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene immer häufiger“ stattfinden würden. In der Kombination von technologischen und ökonomischen Monopolen entstünden globale Wirtschaftsoligarchien, in denen „einige wenige große Technologieunternehmen immer größer werden und die Mehrheit zum Nachteil marginalisiert wird“. Das globale Wirtschaftssystem verliere sein „gesundes Gleichgewicht“. Um die Balance wiederherzustellen, müssen Monopole verhindert werden. Jiang sieht die EU in dieser Hinsicht als Vorbild, weil sie über ein „wirksames Regelsystem“ verfüge. Europa sei „noch frei von KI-Monopolen und der daraus resultierenden Machtkonzentration“. Europas Ansatz, im Bereich der KI-Technologie ein Gleichgewicht zwischen Förderung und Beschränkung herzustellen, sei vorbildlich. Deutschland sei in dieser Hinsicht ein „Vorreiter“. Jiang gibt eine interessante Einschätzung der chinesischen Sicht: „Die Chinesen, die im Allgemeinen dem technologischen Fortschritt vertrauen, sind in den vergangenen Jahren zunehmend besorgt über die negativen Auswirkungen des technologischen Fortschritts, insbesondere über den Missbrauch und die Verletzung persönlicher Daten. Die EU hat bewährte Erfahrungen in den Beschränkungen für algorithmische Technik und den Datenzugriff zum Schutz der Rechte des Einzelnen, und auch China hat entsprechende Vorschriften eingeführt. In dieser Hinsicht besteht Raum für eine Zusammenarbeit zwischen China und Europa, und sie können gemeinsam zur globalen KI-Entwicklung und -Governance beitragen.“ Um diese Ziele zu erreichen, sollten China und Deutschland im Bereich der KI zusammenarbeiten. Beide Länder spielten, wenngleich noch deutlich hinter den USA liegend, eine führende Rolle bei der Künstlichen Intelligenz. Beide hätten nicht das „Problem der hohen Konzentration politischer Macht durch das High-Tech-Monopol“. Deutschland und China seien bestrebt, ein „Gleichgewicht zwischen Technologie und Politik aufrechtzuerhalten“. Beide wollen auch „eine KI-Governance auf globaler Ebene“, die die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bilden würde. Aus praktischer Sicht könnten China und Deutschland bei KI in nichtsensiblen Bereichen wie Klimawandel, Gesundheitswesen und Open Source zusammenarbeiten. Jiang bedauert, dass die bisher enge Zusammenarbeit zwischen chinesischen und deutschen Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen auf dem Gebiet der KI in den vergangenen Jahren durch die „De-Risking“-Politik geschwächt worden sei: „Die deutschen Hochschulen wurden von deutschen Behörden einschließlich des BMBF gewarnt, die Zusammenarbeit mit chinesischen Hochschulen könnten die nationalen Interessen Deutschlands beeinträchtigen. Mein Eindruck ist, dass die deutschen Hochschulen beim Austausch mit chinesischen Hochschulen viel vorsichtiger sind, nicht nur im Bereich der technischen Wissenschaften. Die deutschen Universitäten sind zunehmend geopolitisch geprägt.“ Es wäre jedoch „notwendig und auch im eigenen Interesse, dass China und Deutschland sachlich miteinander sprechen, inwieweit sie im Bereich der AI zusammenarbeiten wollten und können“. Die beiden Länder seien „zu sehr wirtschaftlich, politisch sogar auch technisch verflochten, sie können es sich nicht leisten, nicht zu kooperieren“.