Thursday, February 6, 2025
Österreich: Kickl will die Machtwerkzeuge
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Österreich: Kickl will die Machtwerkzeuge
Verena Mayer, Wien • 2 Std. • 3 Minuten Lesezeit
In Wien stehen die Koalitionsgespräche auf der Kippe. Die ÖVP ist schockiert von den Forderungen des FPÖ-Chefs. Sie wecken schlechte Erinnerungen.
Kickl will die Machtwerkzeuge
Herbert Kickl hält nichts von klassischen Medien. Wenn er sich äußert, dann meistens auf den Plattformen seiner extrem rechten FPÖ. Tagesaktuelle Statements oder Streams seiner Pressekonferenzen gibt es auf dem Youtube-Kanal FPÖ-TV zu sehen, wenn Kickl etwas Wichtiges zu verlautbaren hat, tut er das auf Facebook. So auch Mittwochnachmittag.
Da erklärte Kickl seinen „lieben Freunden“ erst in einer längeren theoretischen Passage (er hat Philosophie studiert) die Aufgaben eines Politikers. Dann leitete er aus der Erkenntnis, dieser sei „nur ein Werkzeug, ein Instrument, ein Diener, ein Mittel, um den Willen der Österreicher“ umzusetzen, Schlüsse für sich selbst ab. Dass er nämlich in den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der konservativen ÖVP zwei gewichtige Ressorts für seine Partei beansprucht: das Finanz- sowie das Innenministerium. Zum einen sei die Haushaltskrise, mit der eine neue Regierung zu tun haben werde, von der Kanzlerpartei verursacht worden, zum anderen könne nur ein FPÖ-Innenminister die „Familie Österreich“ vor „illegalen Eindringlingen“ schützen.
Beide Forderungen lösten Schockwellen in der ÖVP aus. Allein die Art, wie sie vorgebracht wurden. Erst in einem konfrontativen Treffen zwischen Kickl und dem ÖVP-Vorsitzenden Christian Stocker, in dem eigentlich nur die Punkte ausgeräumt werden sollten, bei denen die Verhandlungsgruppen keine Einigung erzielt hatten. Und dann noch in der größtmöglichen Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke, was in einem Land, in dem man die Dinge gerne hinter verschlossenen Türen regelt, ungefähr so gut ankommt wie abgerissene Jeans auf dem Opernball.
Der Freiheitliche denkt offenbar an eine Konzentration von Entscheidungsgewalt
Und da ist natürlich das gravierende inhaltliche Problem, das die ÖVP hat. Mit dem Finanzministerium hätte die FPÖ die Möglichkeit, jedes Regierungsvorhaben zu blockieren, Stichwort Schuldenbremse. Und im Innenministerium wird nicht nur über Zuwanderung und Asyl entschieden, ihm sind auch der Polizeiapparat sowie die Direktion Staatsschutz- und Nachrichtendienst (DSN) unterstellt, also der österreichische Geheimdienst.
Dafür war Herbert Kickl schon einmal zuständig, 2017 bis 2019, als Innenminister unter dem ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz. In dieser Zeit gab es nicht nur eine großteils rechtswidrige Razzia im damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, sondern es sollen von dort auch Informationen Richtung Russland abgeflossen sein. Beides veranlasste die ausländischen Partnerdienste dazu, Österreich eine Zeit lang vom Informationsstrom abzuschneiden, den befreundete Geheimdienste miteinander pflegen. Das kann in Zeiten von Terrorismus und hybrider Kriegsführung die Sicherheit eines Landes massiv beeinträchtigen.
Dementsprechend konsterniert ist man in der ÖVP. Man sei „überrascht“ von Kickls Äußerungen auf Facebook, hieß es in einer Stellungnahme. Wer „einen Partner für eine gemeinsame Regierung finden“ wolle, sollte „auf diesen zugehen und ein Angebot auf Augenhöhe unterbreiten“. Kein Angebot auf Augenhöhe, sondern eher eines, das man nicht ablehnen kann, wie es im Film „Der Pate“ einst hieß, dürfte für die Konservativen auch die Forderung der FPÖ sein, die Bereiche Kultur, Medien und Europafragen ins Kanzleramt zu verlegen. Also zur Chefsache eines möglichen Kanzlers Kickl zu machen.
Der hat oft klargemacht, was er von der EU und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält: nicht viel. Die EU sollte für Kickl eine reine Wirtschaftsgemeinschaft sein, dem ORF würde er gerne die Mittel streichen, die durch die Haushaltsabgabe hereinkommen. Im Gegenzug sollen auch FPÖ-nahe Medien, von denen einige Berührungspunkte mit Rechtsextremen haben, Presseförderung bekommen.
Und so scheint das blau-schwarze Projekt derzeit auf der Kippe zu stehen. Zwar sagte ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll auf X beschwichtigend, die Volkspartei führe „weiterhin Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe mit dem Ziel, rasch eine handlungsfähige Regierung für Österreich zu haben“. Die inhaltlichen Differenzen sind aber unübersehbar. Etwa was die Außen- und Sicherheitspolitik betrifft. Die ÖVP ist für eine Teilnahme Österreichs am europäischen Raketenabwehrsystem „Sky Shield“, die FPÖ lehnt jede Beteiligung an länderübergreifenden Verteidigungsprojekten ab. Streitgegenstand ist auch die Bankenabgabe, also eine Art Steuer für Kreditinstitute und Finanzdienstleister. Sie war einer der Knackpunkte, an denen die Verhandlungen zwischen ÖVP, Sozialdemokraten und liberalen Neos für eine Dreierkoalition gescheitert sind, da die ÖVP eine solche immer ausgeschlossen hatte. Nun will die FPÖ eine ebensolche durchsetzen.