Thursday, February 13, 2025

Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner - Vor dieser Wahl herrscht eine einmalige Wechselstimmung - mit drei Faktoren

Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner - Vor dieser Wahl herrscht eine einmalige Wechselstimmung - mit drei Faktoren FOCUS-online-Gastautor Klaus-Peter Schöppner • 2 Std. • 4 Minuten Lesezeit Es herrscht Wechselstimmung: Die Wähler sind bereit für Veränderung, doch kann die CDU/CSU punkten? Die Wähler sind bereit für Veränderung, doch die CDU/CSU kann trotz dreifacher Wechselstimmung nicht punkten. Die Lage analysiert Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner. Normalerweise ist das bei Wahlen ja so: Da hat zumeist die Regierungspartei als kleineres Übel die Nase vorn. Die Wähler wissen, was sie haben und wollen Stabilität. Da wird das ‚Ihr kennt mich doch‘ oder ‚Du kannst so bleiben wie Du bist‘ gewählt. 16 Jahre Helmut Kohl, 16 Jahre Regierung Merkel sind ein beredtes Zeugnis dafür. Manchmal jedoch herrscht Wechselstimmung. Dann erstarkt die Opposition. Dann kann man die alten Köpfe nicht mehr sehen, dann hat die alte Regierung ausgedient. Wie 1998 bei Gerhard Schröder nach der bleiernen Kohl-Zeit. Oder 2021 Olaf Scholz für die ausgelaugte Kanzlerin Merkel. Doch augenblicklich gibt es etwas noch nie Dagewesenes: Eine gleich dreifache Wechselstimmung. So wie jetzt: Die Wähler wollen ‚Schluss mit Scholz‘, dem unbeliebtesten Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Stattdessen: ‚Irgendetwas mit der CDU/CSU‘. Die Wähler wollen die ‚neue Wirtschaft‘. Nicht mehr sozial-ökologisch mit besserwisserischen Forderungen garniert. Sie wollen weg von den Vorschriften und Schranken. Mehr Eigenverantwortung. Und: Fordern und Fördern statt Fördern und Fordern. Die Wähler wollen Schluss mit der unkontrollierten Migration und der unlösbaren ‚Integration für alle‘. Zuwanderung sollte geregelt, finanziell verkraftbar, von uns bestimmbar und gerecht ablaufen. Zur Hälfte die aufnehmen, die wir brauchen, zur anderen die, die uns brauchen. Und das sind nicht nur Männer zwischen 15 und 40 Jahren. Steiler geht Vorlage an die CDU/CSU nun wirklich nicht. Dreimal Wechselstimmung, jeweils zugunsten der Union! Doch was passiert: Die Union krebst seit langem um die 30% Wähleranteilen herum. Langweilige Stabilität trotz irrer Probleme. Nichts bewegt sich? Im Schlafwagen an die Macht? Nicht ganz richtig! Denn die skandalisierende Diskussion um die Brandmauer führt bei den Parteien zur Stabilisierung in der Mitte – und zu Fluktuation an den jeweiligen Parteienrändern. Beispiel Union: Sie verliert im linken Merkellager, auch aus Angst, doch noch mit der AfD zusammen zu arbeiten - und gewinnt ehemalige Union-Wähler von der AfD zurück. Beispiel SPD: Zugewinne bei den Wortbruchentsetzten, Verluste bei denen, die endlich inhaltliche Substanz einfordern. Oder AfD: Zugewinne angesichts der Unions-Abweichler bei den ‚Lieber das Original-Wählern‘. Und Verluste bei denjenigen, die ein AfD-Kreuz angesichts der Merz-Aussagen für eine verlorene Stimmen halten. Doch weshalb machen CDU/CSU keine Stimmen gut? Wegen ihres Kanzlerkandidaten. Zwar rhetorisch gut, Probleme anpackend, inhaltlich versiert und inzwischen souverän im Auftreten: Kompetent, aber nicht sympathisch: Zu trumpistisch? Zu selbstüberzeugt? In einer Zeit, in der die fragmentierten Wähler zu jeder Meinung eine Gegenmeinung vorgesetzt bekommen, und objektive Diskussionen um den richtigen Weg inzwischen unmöglich erscheinen, spielt Empathie, das ‚Sich-gut-aufgehoben-Fühlen‘ eine wichtige Rolle. Motio und Ratio! Das beherrscht Merz noch nicht. Wegen der noch zu vagen Hoffnung, ob er die Wirtschaftswende wirklich schafft. Oder ob die SPD-‚Heilisierung‘ unsere Politik weiterhin dominiert. Ob Leistungsträger weiterhin diskreditiert werden und ‚Trillerpfeifenbesitzer‘ über unser Land bestimmen. Und wie sollen Verteidigung, Rente, Pflege, Gesundheit und Sicherheit finanziert werden, ohne die Bürger zusätzlich zur Kasse zu bitten? Und wegen ihrer Koalitionsnotwendigkeit mit einem linken Partner, die dann doch wieder eine ‚verpanschte Politik‘ zur Folge haben wird? Da ist es nicht förderlich, die FDP unter die 5 Prozent - Marge drücken zu wollen. Weil nicht auszuschließen ist, dass sieben (mit der CSU acht) Parteien in den Bundestag einziehen – und eine 5 Prozent-Plus-FDP in einer Dreier-Koalition den Wirtschaftsausschlag geben könnte: Für 15 Porzent der Wähler wäre das eine Überlegung wert! Denn egal wer noch dazukäme: Eine Koalition bestände dann aus zwei wirtschaftsaffinen Parteien. Und da ist dann noch die sublime Angst vor Veränderungen des Lebensstandards: Was machen Leistungsverdichtung, Subventionsabbau, Controlling bei den Sozialleistungen mit mir? Was heißt ‚Wirtschaftswende für mich? Bin ich auch dann noch gut bei der Wirtschaftspartei CDU/CSU aufgehoben?‘ Heißt: Ist die Unionspolitik Hoffnung oder Schreckgespenst? Früher war die Wahl zumeist Dank oder Rache für die Leistungen der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Dann eine Wette auf die Zukunft. Bei dieser Wahl ist es angesichts der Hektik täglich neuer Skandalisierungen anders. Es geht angesichts von Komplexität / Volatilität / Verunsicherung / Empörung und Zweifel nur noch um ganz einfache Botschaften. Auch weil bei der zunehmenden Fragmentierung des Elektorats kaum jemand mehr sachlich entscheiden kann. Also gewinnen ganz einfache – populistische – Empfindungen über die Parteien einen großen, vielleicht entscheidenden Einfluss auf den 23. Februar, 18 Uhr. Weil inzwischen mehr nach Gefühl als Verstand geurteilt wird. Das sind einige entscheidende Gedanke zum Wahltag: ‚Ich wähle Union, weil sie nicht Ampel, aber auch nicht AfD ist‘. Oder: ‚Mit den Grünen wird es teuer‘. Oder: ‚Kümmert sich die SPD inzwischen mehr um die Leistungsbezieher als die Leistungserwirtschaftenden sind? Mehr um Sozialempfänger als um Arbeiter‘? Oder: ‚Verlorene Stimme für die FDP? Oder braucht Deutschland die Liberalen, um endlich auf eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik zu hoffen? Wohin wendet sich das Pendel? Und welche Skandale machen die Politiker noch nervös? Die Wahl am 23. Februar ist schon spannend genug. Wohl aber nur ein Geplänkel für das, was danach kommt. Denn das ist das noch größere Problem: Wie aus Feinden wieder Partner werden können, die dem Lande guttun. Denn es geht um die Menschen in Deutschland, nicht um Posten und Provokationen unserer Parteien.