Monday, February 3, 2025
Kolumne von Susanne Nickel - „Wie, im Winter muss ich auch arbeiten?“ Die Unlust der Gen Z ist kurierbar
FOCUS online
Kolumne von Susanne Nickel - „Wie, im Winter muss ich auch arbeiten?“ Die Unlust der Gen Z ist kurierbar
Artikel von Von FOCUS-online-Susanne Nickel • 3 Std. • 6 Minuten Lesezeit
Susanne Nickel: "Demotivation ist eine Gefahr für Innovation und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands".
Nur 43 Prozent der Gen Z geben im Job ihr Bestes – weniger als jede andere Generation. Diese Demotivation ist eine Gefahr für Innovation und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschland. Doch es gibt eine Lösung – und die schließt auch Chefs und den Staat mit ein.
Mit Klischees ist es so ein Ding. Sie werden gerne als völlig überzogen kritisiert. Dabei liegt in ihnen oft ein tiefer Kern Wahrheit. Oder essen Franzosen etwa keine Baguettes und Italiener keine Nudeln? Haben Deutsche nicht einen krassen Hang zum Jammern und sind Amerikaner nicht furchtbar laut?
Mir wird immer wieder vorgeworfen, zu viele Klischees über die Generation Z zu verbreiten. Ist das so? Schauen wir doch mal.
Hat die Gen Z zu hohe Ansprüche?
Neulich lauschte ich den Worten des Unternehmers Fredrik Harkort, der auf seinem Instagram-Kanal von einem Bewerbungsgespräch mit einer jungen Frau berichtete.
Der Gründer und Chef des Online-Nachhilfe-Anbieters „Cleverly“ zeigte sich ziemlich verwundert über die Anspruchshaltung der Berufsanfängerin, die, wie er sagte, nach gerade mal sechs Monaten im ersten Job schon wechseln wollte.
Auf seinem Instagram-Kanal gab Harkort die Antwort der Frau, eine Vertreterin der Generation Z , auf die Frage wieder, was für sie im Job herausragende Bedeutung habe.
„Was tut der Arbeitgeber für mich, damit ich mich weiterentwickeln kann?“
Er formulierte es so: „Besonders wichtig ist mir zu wissen, was tut der Arbeitgeber für mich, damit ich mich weiterentwickeln kann. Ich will wissen, wie viele Wochen ich remote arbeiten kann. Es ist mir wichtig, dass ich nur in Teilzeit arbeiten kann, also 30 Stunden, maximal 32. Und ich möchte möglichst schnell die Karriereleiter aufsteigen.“
Außerdem lehnte die Bewerberin laut Harkort unter Verweis auf eine „Erfahrung“ aus ihrem ersten Job ein „Umfeld“ ab, „in dem Performance wichtig ist und stark gemessen wird“ - das sei „nichts“ für sie.
Geschichten voller Anspruchsverhalten und Widersprüchlichkeiten junger Menschen
Da waren in einer einzigen Person fast alle Klischees über junge Leute vereint, dass man die Schilderung für eine Karikatur halten und Kritiker der Gen-Z-Basher vermuten könnten, Harkort habe alles frei erfunden. Ich wiederum glaube ihm, dass es so war, wie er es berichtete.
Denn ich selbst hörte bei der Recherche für mein Buch unzählige solcher abstruser Geschichten, die mindestens ebenso bizarr waren und von dem Anspruchsverhalten sowie den Widersprüchlichkeiten junger Menschen zeugten. Etwa der Azubi-Bewerber eines Sanitärbetriebs in Oberbayern, der sagte, nachdem er erfuhr, dass der Betrieb nicht nur von Frühjahr bis Herbst arbeitet: „Wie, im Winter muss ich auch arbeiten? Da ist es doch aber kalt, das mag ich nicht so gern.“
Passen Karriere machen und Teilzeit-Arbeiten zusammen?
Auch den riesigen Zwiespalt zwischen Erwartung und Leistungsbereitschaft kenne ich nur zu gut. Die junge Frau wollte sich „weiterentwickeln“ , was prima ist, Karriere machen, was heißt, Verantwortung zu übernehmen und ein Team zu führen.
Die Frage, die auch Harkort durch den Kopf ging, lautet: Wie passt das zusammen mit der Forderung, zugleich oft außerhalb des Unternehmens und in Teilzeit arbeiten zu wollen und nicht nach Leistung beurteilt zu werden? Auch von solchen gedanklichen Kollisionen, die Vertreter der Generation Z häufig nicht wahrnehmen, erzähle ich in meinem Buch, das auf Aussagen Hunderter Führungskräfte, vielfach Chefs von Personalabteilungen, beruht. Nachdem es erschienen war, erhielt ich Dutzende Mails mit Berichten, wie sie Harkort zum Besten gab.
In den Klischees über die Gen-Z steckt ein Funke Wahrheit
Was lernen wir daraus? Auch in den Klischees über die Gen Z steckt ein tiefer Kern Wahrheit. Was aber nicht heißen soll, dass alle jungen Menschen so ticken. Dennoch ahne ich, was hier im Leserforum passieren wird. Unter dieser Kolumne wird nicht nur gejubelt, sondern wird es bestimmt wieder sinngemäß heißen: Die Nickel verbreitet wieder Vorurteile und Klischees über die guten, tapferen und arbeitswilligen jungen Menschen, die in Sorge vor einem Burn-out und dem Klimawandel sind.
Meinetwegen. Aber denken Sie noch einmal nach, ehe Sie das schreiben. Denn ich kann noch ein anderes aktuelles Beispiel anführen. (Es könnten mehr sein, dafür reicht der Platz jedoch nicht.)
Baby-Boomer haben am meisten Spaß bei der Arbeit
Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY, die früher Ernst & Young hieß, ergab: Zahlreichen Menschen in Deutschland fehlt die Motivation am Arbeitsplatz. Nicht einmal jeder zweite Angestellte, exakt 48 Prozent, gab an, im Job sein Bestmögliches zu geben. Das Niveau liegt unter dem internationalen Durchschnitt von 54 Prozent. Inder und Chinesen, die unter teils üblen Umständen ihrem Broterwerb nachgehen, haben mehr Arbeitselan als die Menschen in unserem Land.
Am meisten Freude im Beruf haben der Umfrage zufolge ältere Beschäftigte in Deutschland. Fast zwei Drittel, genau 63 Prozent, der befragten Baby-Boomer erklärten, in der Arbeit motiviert zu Werke zu gehen. Nun kommt es – und ich glaube, Sie ahnen es schon – der Anteil derjenigen aus der Gen Z, die im Job ihr Bestes geben, lag bei 43 Prozent. Das heißt, junge Leute ziehen den Gesamtdurchschnitt nach unten.
Zu viele Beschäftigte arbeiten mit begrenzter Lust
Sie können sich sicher vorstellen, wie problematisch sich das für ein Unternehmen auswirkt, wenn viel zu viele Beschäftigte mit begrenzter Lust arbeiten. Nun kann man hier wieder sagen: Ja ja, junge Leute von heute sind halt so, wollen in der Hängematte liegen, für wenig Schaffen haufenweise Geld und lassen „die Alten“ machen. Das ist ein Klischee.
Man kann auch sagen: nur ein Teil der Wahrheit. Der andere hat mit Vertretern älterer Generationen zu tun, die in Führungspositionen sind und immer noch nicht begriffen haben, was Vertreter der Z wie die allermeisten älteren Generationen zwingend brauchen, um Spaß im Beruf zu haben: ehrliches Lob und konstruktives Feedback.
Miese Kommunikation kann den Elan bremsen oder ganz nehmen
Demotivation ist eine Gefahr für Innovation und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Schlechte Firmenkultur, miese Kommunikation und ein Mangel an Motivationskünsten der Vorgesetzten können den Elan bremsen oder ganz nehmen.
In meinen Vorträgen für Führungskräfte sage ich immer wieder: „Beseitigen Sie alles, was demotiviert. Das motiviert genug.“ Da das beim ersten Hören ein wenig banal wirkt, schaue ich oft in fragende Gesichter, die wissen wollen: Ist das so einfach? Das beantworte ich stets mit einem klaren Ja.
Danach kommt: Was sollen wir tun? Ich erkläre dann immer, einen gemeinsamen Weg mit den Mitarbeitern zu finden, um die Lust auf Arbeit zu erhöhen.
Wertschätzende Firmenkultur hat große Wirkung
So begreife ich einfach nicht, warum Vorgesetzte, vor allem alte weiße Männer, nach wie vor nicht in der Lage sind zu loben, wo doch Hunderte Umfragen belegen, wie wichtig es für Beschäftigte ist, dass ihnen der Chef (oder die Chefin) auf die Schultern hauen.
Schon mal was davon gehört, dass geteilter Erfolg beflügelt? Generell sei gesagt: Die Installation einer positiven, wertschätzenden Firmenkultur sowie Maßnahmen gegen Stress und Überforderung kosten vergleichsweise wenig, haben aber große Wirkung. Gerade für die hochemotionale Generation Z ist das wichtig.
Führungskräfte müssen Eigenverantwortung stärken
Allerdings müssen sich auch Beschäftigte fragen: Will ich wirklich den Rest meines Arbeitslebens angeödet nach dem 0-8-15-Prinzip werkeln und mir damit jede Freude am Job nehmen? Sie müssen sich auf ihre eigenen Antriebskräfte besinnen, sich daran erinnern, warum sie einst ihren Beruf ergriffen haben.
Führungskräfte müssen Eigenverantwortung stärken und nicht alles kontrollieren, was ein Angestellter macht. Eigenverantwortliches Agieren macht selbstbewusst.
Kurzum: Nur durch gegenseitiges Verständnis und Anpassung kann die hohe Zahl demotivierter Arbeitnehmer reduziert werden.
Leistung muss sich wieder lohnen
Das Ganze funktioniert allerdings nur, wenn auch der Staat mitspielt, insbesondere die Politik. Leistung muss sich wieder lohnen! Niemand hat Lust, stundenlang an einer Maschine oder hinter einer Theke zu stehen, wenn er weiß, dass ein Bürgergeldempfänger fast oder genauso viel bekommt, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen.
Bitte nicht aufregen! Ich meine nicht diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen keinem Job nachgehen können, sondern die, die nicht nur unmotiviert sind, sondern die, die Null Bock auf Arbeit haben und sich von uns Steuerzahlern das Nichtstun bezahlen lassen.