Monday, February 3, 2025

Jetzt fällt Merkel Merz in den Rücken: Im vergangenen Herbst ließ sie sich noch von der CDU und deren Vorsitzenden feiern

Frankfurter Allgemeine Zeitung Briefe an die Herausgeber vom 3. Februar 2025 4 Std. • 5 Minuten Lesezeit Jetzt fällt Merkel Merz in den Rücken: Im vergangenen Herbst ließ sie sich noch von der CDU und deren Vorsitzenden feiern. Ich habe keinerlei Verständnis für Merkel Zu „Merkel kritisiert Verhalten von Merz als falsch“ (F.A.Z. vom 31. Januar): Drei Jahre (1995–98) gehörte ich gemeinsam mit Angela Merkel im CDU-Bundesvorstand zu den vier Stellvertretern des Parteivorsitzenden Helmut Kohl, acht Jahre (2005–2013) war ich dank der Berufung durch Bundeskanzlerin Merkel Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister. Die Erinnerung an diese Zeiten gab mir häufig Anlass, Angela Merkel gegenüber zunehmender Kritik zu verteidigen und um Verständnis für Entscheidungen ihrer Regierungszeit zu werben, auch Entscheidungen, deren Auswirkungen sich heute als problematisch oder gar fatal erweisen (Ausstieg aus der Kernenergie, Aussetzen der Wehrpflicht, Hinnahme von Nord Stream 2). Trotz meiner eigentlich positiven Voreingenommenheit für Angela Merkel habe ich für ihre gegenwärtige Kritik an Friedrich Merz und der CDU/CSU Fraktion keinerlei Verständnis. Mag sein, dass sie die Position der CDU/CSU-Fraktion zur Migrationspolitik nicht teilt. Aber dass sie ungefragt über eine Büroerklärung ihre Kritik an Mehrheitsentscheidungen der eigenen Partei und Fraktion mit moralischem Anspruch und beachtlicher Schärfe öffentlich geltend macht, enttäuscht und befremdet mich in allerhöchstem Maße. Ich frage mich nach den Motiven meiner früheren Parteivorsitzenden. Ist sie sich nicht bewusst, dass ihre Büroerklärung nicht nur Wasser auf die Mühlen von Rot-Grün, sondern auch eine Steilvorlage für die AfD ist?! Welches Parlamentsverständnis, welche Vorstellungen parlamentarischer Mehrheitsbildung liegen ihrer Intervention zugrunde? Als Mitglied des Stadtrates von Halle (Saale) könnte ich aktuell von kommunalen Entscheidungen berichten, bei denen SPD, Linke und AfD gemeinsam Mehrheiten gegen die CDU bildeten. Für die entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen frei gewählte Mandatsträger von der Mehrheitsbildung eines demokratisch konstituierten Gremiums ausgeschlossen werden sollen, scheint Angela Merkel nur wenig Problembewusstsein zu besitzen. Vielleicht liegt der Schlüssel zum Verständnis dieser vorliegenden Erklärung auch darin, dass Angela Merkel in ihrer beeindruckenden politischen Laufbahn weder Mitglied einer Kommunalvertretung noch eines Landtages war. Sonst wüsste sie vermutlich besser, an welchen Grenzen sich Länder und Kommunen gegenwärtig bei der Bewältigung der migrationspolitischen Herausforderungen bewegen. Sie wüsste dann auch genauer, welche schwierigen Probleme der Mehrheitsfindung in manchen ostdeutschen Landtagen gelöst werden müssen. Christoph Bergner, Ministerpräsident a. D., Halle Was Merkel vergessen hat Zu „Merkel kritisiert Verhalten von Merz als falsch“ (F.A.Z. vom 31. Januar): Selten war ich so empört wie über die Äußerungen von Frau Merkel bezüglich des Abstimmungsausgangs nach der Migrationsdebatte im Bundestag. Frau Merkel wirft Friedrich Merz unter anderem ein wahltaktisches Manöver vor. Hat die Ex-Kanzlerin vergessen, dass sie selbst seinerzeit den Atomausstieg – nicht die einzige ihrer historischen Fehlentscheidungen – aus wahltaktischen Gründen just kurz vor Landtagswahlen beschlossen hat? Hat die Ex-Kanzlerin vergessen, dass es erst ihre kontrolllose Flüchtlingspolitik war, die die AfD so stark gemacht hat? Beide Fehlentscheidungen werden die deutsche Gesellschaft noch über Jahrzehnte beschäftigen und Angela Merkels politisches Vermächtnis nachhaltig prägen. Angela Merkel wird sich damit abfinden müssen, dass Friedrich Merz nun gegen den absichtsvollen Widerstand von SPD und Grünen versucht, die vielschichtigen Folgen (für innere Sicherheit, Wohnungsmarkt, Gesundheitsversorgung, Schulen) einer seit 2015 außer Kontrolle befindlichen Migration einzudämmen. Er kann sich dabei der Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung sicher sein, die es leid ist, nach dem Beklagen von Todesopfern immer wieder mit leeren Versprechungen vertröstet zu werden. Wenn Frau Merkel bisher schon kein öffentliches Wort der Betroffenheit oder der Anteilnahme für die zahlreichen Opfer ihrer Politik der offenen Grenzen übrighatte, sollte sie wenigstens auf ihre Chuzpe und auf das Nachtreten gegen Friedrich Merz verzichten. Max Heyder, München Weil Merkel europäisches Recht brach Höchst eigenartig, diese Kritik Angela Merkels an Friedrich Merz (F.A.Z. vom 31. Januar). Sie schilt den CDU-Chef, weil die AfD Anträgen zustimmt, die die CDU für richtig hält. Die Anträge seien falsch, und Merz solle im Einklang mit europäischem Recht handeln. Was Frau Merkel tunlichst verschweigt: Die AfD entstand überhaupt nur, weil sie, die damalige Bundeskanzlerin, europäisches Recht gebrochen hatte: In der Eurokrise sorgte Frau Merkel dafür, dass Deutschland über milliardenschwere Rettungsschirme die Staatsschulden Griechenlands, Spaniens, Portugals und Irlands finanzierte. Das tat sie, obwohl Europarecht (Artikel 125 AEUV) eindeutig besagt: „Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten . . . eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein.“ Nur aufgrund dieses Rechtsbruchs wurde die AfD gegründet. Professor Dr. Bernd Lucke, Hamburg Verunsicherte Großeltern Zum Leitartikel von Berthold Kohler „Wir sind es leid“ (F.A.Z. vom 24. Januar): Als Großeltern unserer zweijährigen Enkelin sind wir entsetzt über die Worte unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz nach den schlimmen Morden im Park von Aschaffenburg. Der Bundeskanzler ist „es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen“. An vielen Tagen gehen wir mit unserer Enkelin in einen großen Park, der von allen möglichen Besuchern frequentiert wird, um uns dort zu entspannen. Dieses schreckliche Attentat, bei dem auch ein zweijähriges Kind ermordet wurde, hat uns sehr erschüttert und bei uns Angst und Unsicherheit verursacht. Unsere Entspanntheit ist verflogen, wir gehen nur noch zu zweit spazieren und betrachten genauer unser Umfeld, blicken auch oft kritisch hinter unseren Rücken. „Wir schaffen das“ von Angela Merkel ist heute purer Zynismus geworden, die Blutspur der Attentate der letzten Zeit zeigt auf, dass unser Staat nicht mehr in der Lage ist, dieses Problem zu lösen. Weder der Zustrom von Migranten noch die Organisation der Migration im Land konnten effizient geregelt werden, sie sind dem Staat über den Kopf gewachsen. Nach den Bundestagswahlen wird es für die gewählte Regierung eine dominante Aufgabe werden, die Migrationspolitik zu korrigieren, zu reformieren, damit die Bürger wieder in größerer Sicherheit leben können. Es muss wieder ein Zustand hergestellt werden, dass Kindergartengruppen mit ihren Erzieherinnen und auch Großeltern mit ihren Enkeln und Enkelinnen angstfrei und sorglos im Park spazieren können. Tibor Hevesi, Pforzheim Eher Hospiz als Intensivstation Zu „Intensivpatient Deutschland“ (F.A.Z. vom 23. Januar): Kompliment, das war wieder ein echter Reinhard Müller! Für mich ein Brillantfeuerwerk und Champagner-Cocktail zugleich. Zur Diagnose des deutschen Patienten gestatte ich mir eine sanfte Korrektur: Ich diagnostiziere eher Hospiz als Intensivstation. Auf der Intensivstation wäre eine komplette Heilung ja noch möglich. Die Tragik des „deutschen Patienten“ liegt jedoch in folgender Begründung: Dieses Land kann im staatlichen und wirtschaftlichen Bereich nicht mehr so handeln, wie es handeln müsste. Ein Spinnengewebe von Gesetzen, Ausführungsbestimmungen, Vorschriften und Erlassen verzögert oder verhindert lebensnotwendige Entscheidungen im wirtschaftlichen und staatlichen Sektor. Und wenn diese oben angeführten Gesetze et cetera nicht ausreichen, um notwendiges Handeln zu ersticken, verweisen Politiker gerne auf übergeordnete europäische Gesetzgebung. Auf die Idee, Gesetze zu suspendieren oder zu kassieren, wenn sie dem Land schaden, kommt in Deutschland niemand mehr. Je verrückter die Gesetze eines Landes sind – desto eher „geht es den Bach runter“. Peter Lang, Darmstadt