Thursday, February 20, 2025

EU-Gipfel in Paris: Über die Köpfe Osteuropas hinweg

Frankfurter Allgemeine Zeitung EU-Gipfel in Paris: Über die Köpfe Osteuropas hinweg Stephan Löwenstein • 13 Std. • 4 Minuten Lesezeit EU-Sondergipfel in Paris: Nicht alle dabei bei Macron Es war zu erwarten, dass Amerikas Kehrtwende unter Präsident Donald Trump in Sachen Ukraine und Russland von den Staaten im östlichen Mitteleuropa unterschiedlich aufgenommen würde. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der seit Beginn der russischen Aggression Kiew mehr als Moskau kritisiert, sieht sich bestätigt und kommt aus dem Frohlocken kaum mehr heraus. Mit etwas Verzögerung hat sich dem auch der slowakische Regierungschef Robert Fico angeschlossen. Entgeistert wie in Westeuropa war man hingegen beispielsweise in Prag. Das waren alles folgerichtige Reaktionen, je nach politischer Ausrichtung und Positionierung, die in den vergan­genen Jahren eingenommen worden ist. Was hingegen unnötig erscheint, ist der Verdruss, den die nach eigenem Verständnis „wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs“ bei denjenigen Partnern hervorgerufen haben, die in der Sache eigentlich als Gleichgesinnte anzusehen sind. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zu Wochenbeginn die Regierungschefs aus Großbritannien, Deutschland, Polen, Dänemark und den Niederlanden zusammen mit den Spitzen der Institutionen von EU und NATO eingeladen. Den Stich, nicht dabei zu sein, hat man gespürt Die Absicht war klar, es sollte ein kleiner Kreis sein, um schnell zusammenzukommen und eine gemeinsame Position zu finden. Aber in Ländern wie Slowenien, Rumänien und vor allem der Tschechischen Republik hat man den Stich, nicht dabei zu sein, sehr deutlich gespürt. Mag man auch bezüglich der absoluten Höhe der Verteidigungsausgaben in einer anderen Liga spielen, aber es gibt mehr Tschechen als Dänen, mehr Rumänen als Niederländer. Von der konkreten Betroffenheit infolge der geographischen Nähe zu Russland ganz zu schweigen. Und die Tschechen sehen sich bei der militärischen Unterstützung der Ukraine in einer Vorreiterrolle. Hat man nicht von Anfang an schwere Waffensysteme geliefert, hat man nicht mit der Munitionsinitiative die vollmundigen Ankündigungen aus der EU mit konkreten Schritten un­terlegt? „Nur ein geeintes Europa kann ein starkes Europa sein“ Kritik daran, außen vor gelassen worden zu sein, wurde in Prag, Bukarest und Laibach (Ljubljana) artikuliert. Die slowenische Staatspräsidentin Nataša Pirc Musar bedauerte, dass „Europa falsche Botschaften bezüglich der Friedensbemühungen in der Ukraine aussendet“. Das Treffen in Paris sei ein Zeichen dafür, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht gleich behandelt würden. „Nur ein geeintes Europa kann ein starkes Europa und ein gleichberechtigter Akteur in den internationalen Beziehungen sein.“ Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala äußerte, das Treffen verleihe Europa nicht mehr Gewicht. Man müsse stattdessen zur Tat schreiten, den Green Deal überarbeiten oder die Bürokratie beschränken, straffällige Migranten ausweisen und in die eigene Verteidigung und Sicherheit investieren. Fiala steht vor den Wahlen im Herbst in einem für ihn schwierigen Wahlkampf, das merkte man seiner Stellungnahme an, mit der er vom Thema eher ablenkte. Aber wenn man sich in diplomatischen Kreisen umhört, dann spiegeln die Worte des Regierungschefs nur andeutungsweise den Zorn darüber, kurzerhand an den Katzentisch gesetzt worden zu sein. Der bestand aus einem Folgetreffen, überwiegend mit Videozuschaltungen, am Mittwoch. Die Tschechen sollen auf mehreren Ebenen über das ganze Wochenende hinweg bis Sonntagabend ihre französischen Gegenüber bearbeitet haben, um zu erwirken, dass Fiala am eigentlichen Treffen in Paris teilnehmen könnte. Die Slowakei hat ganz anders reagiert Ganz anders hat Robert Fico in der benachbarten Slowakei reagiert. Auch der Linkspopulist Fico hat derzeit so seine innenpolitischen Themen, seine Koalitionspartner zerlegen sich. Aber vorerst hat er die Lage in Pressburg (Bratislava) mit ein paar Postenrevirements beruhigt. Somit konnte er sich der großen Politik zuwenden. Er bediente sich dabei des Vokabulars Orbáns, an den er sich mehr und mehr anlehnt. „Ich habe dem Präsidenten des Europäischen Rates klargemacht, dass die Slowakei auf solchen Kriegstreffen nichts zu suchen hat.“ Fico gab an, er habe sich schon immer für ein „sofortiges Ende des gegenseitigen Tötens der Slawen in der Ukraine“ starkgemacht. „Die informellen Treffen der Kriegsfreunde in Paris sind das Ergebnis der völlig unnötigen Nervosität, in die sich die EU selbst hineinmanövriert hat. Wir sind nervös, wenn uns der US-Vizepräsident in München die Wahrheit sagt. Wir sind nervös, wenn die USA und Russland uns nicht an den Verhandlungstisch für den Frieden in der Ukraine rufen.“ Fico: Aufhören mit dem Herumheulen Man solle aufhören mit dem Herumheulen und dem Querulantentum. „Europa sollte die Verantwortung für die letzten drei Jahre übernehmen und den USA und Russland Platz für Verhandlungen machen.“ Sprach’s und entschwand auf eine Dienstreise – nach Amerika. Der einstige Kommunist wurde auf dem Konservativentreffen CPAC erwartet. Aus ungarischer Regierungswarte sind die übrigen europäischen Staats- und Regierungschefs „in Panik geraten“, obwohl „alles nach Plan läuft, nur dass dieser nicht ihrer, sondern der von Viktor Orbán entspricht“. So drückte es am Donnerstag der politische Direktor des Regierungschefs, Balázs Orbán (nicht verwandt), aus. Orbán, der Ministerpräsident, habe schon im vergangenen Sommer angekündigt, Russen und Amerikaner würden sich über die Köpfe der Europäer hinweg ei­nigen, wenn diese nicht eine eigene Friedensstrategie vorlegen würden. „Und genau das passiert jetzt.“ Un­garn habe weltweit großen Respekt für seine konse­quente Position errungen. Das eröffne viele Chancen. „Und wir, die Ungarn, werden diese Möglichkeiten nutzen.“