Monday, February 17, 2025
Durch Paris weht der „Wind der Einheit“
Frankfurter Rundschau
Durch Paris weht der „Wind der Einheit“
Stefan Brändle • 39 Mio. • 3 Minuten Lesezeit
Macron lädt ein und Europas Schwergewichte suchen eine gemeinsame – und nachhaltig robuste – Antwort auf die „Achse Trump-Putin“
Die Regierenden von Deutschland, Großbritannien, Polen, Italien, Spanien, Dänemark und der Niederlande sind am Montag der Einladung ihres französischen Kollegen, Präsident Emmanuel Macron, nach Paris zu einem Sondergipfel gefolgt. Ziel war es, eine einheitliche Reaktion auf den Trump’schen Affront vom Wochenende zu finden. Tätige Mithilfe leisteten im Elysée Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa.
Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot wollte aber erstmal – ganz Chefdiplomat – das „Arbeitstreffen“ „entdramatisieren“. Kein leichtes Unterfangen angesichts des Ärgers – ja, der Wut in Paris über den ultrarechten Populismus der US-Teilnehmer an der Münchener Sicherheitskonferenz.
Zur Erinnerung: Donald Trump wollte den Ukraine-Krieg exklusiv mit dem Aggressor Wladimir Putin beenden. Ohne Europa. Am Montag bestätigte Trumps Ukraine-Gesandter Keith Kellogg, dass in Riad, wo an diesem Dienstag Amerikaner und Russen ihre Verhandlungen vorbereiten wollen, nur die Ukraine noch mit am Tisch sitzen wird. Alle anderen würden höchstens als Beobachter zugelassen.
In Paris, wo die US-Dominanz in der Nato schon immer kritisch beäugt wurde, erreicht die Entrüstung den Siedepunkt. Nicole Gnessoto vom Jacques-Delors-Institut sagte, die transatlantische Nachkriegsbeziehung zwischen den USA und Westeuropa sei „zerbrochen“ – und zwar nach 80 Jahren „definitiv“. Der frühere EU-Kommissar Thierry Breton fügte an, das brutale Verhalten der US-Administration sei „für Europa einer der gravierendsten Momente seiner Nachkriegsgeschichte“. Die Zeitung „Le Monde“ forderte ein entschlossenes Vorgehen Europas gegen die „Achse Trump-Putin“.
Eine offizielle Verlautbarung vom Sondergipfel war nicht vorgesehen – was allein schon klarmachte, wie ernst die Lage ist. Der britische Premier Keir Starmer hatte schon vorab seine Bereitschaft erklärt, britische Truppen zur Sicherung eines dauerhaften Friedens in die Ukraine zu entsenden – auch auf das Risiko hin, sie „in Gefahr zu bringen“. Starmer machte aber auch klar, dass es sich um Friedenstruppen handeln müsse, die nach Beendigung der Kämpfe stationiert werden – nicht um eine Interventionsarmee.
Auch Schweden, nicht einmal seit einem Jahr NatoMitglied, könnte sich vorstellen, Friedenstruppen zu entsenden. „Wir müssen zuerst einen gerechten und nachhaltigen Frieden aushandeln“, schränkte Außenministerin Maria Malmer ein. Dieser Friedensschluss müsse gewährleisten, dass „Russland sich nicht einfach zurückzieht, neue Kräfte mobilisiert und ein anderes Land angreifen kann“. Jene „anderen Länder“ sind zuallererst die baltischen, die Dänemark in Paris vertrat.
Noch andere winken vollends ab. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hält eine Debatte über solche Truppen für „verfrüht“. Auch Polen und Spanien ziehen das vorerst nicht in Betracht. Dahinter verbergen sich aber nicht unbedingt grundlegende Differenzen wie 2024, als Macron die Entsendung von Bodentruppen ins Gespräch gebracht hatte. Warschau wie Madrid wollen sich finanziell an einer Nachkriegslösung in der Ukraine beteiligen. Wichtig sind solche Zusagen gegenwärtig, weil sie Trumps Forderung nach europäischer Beteiligung an einem Ukraine-Frieden entgegenkommen. Außenminister Barrot fühlte deshalb in Paris einen „Wind der Einheit wehen“. Übleren Gegenwinden von – teilweise klar prorussischen – EU- und/oder Nato-Mitgliedern zum Trotz. Kleinere EU-Mitglieder wie Slowenien waren auch nicht sonderlich zufrieden, außen vor gelassen zu werden.
Macron hatte allerdings Wert darauf gelegt, dass der Gipfel nicht unter EU-Flagge stehen sollte. Dies geschah, um Großbritannien trotz Brexit ins europäische Boot holen zu können. Der Gastgeber wollte auch die unvermeidlichen Spannungen eines 27-köpfigen EU-Treffens vermeiden. Kommissionspräsidentin von der Leyen hätte im Notfall für alle 27 sprechen können, sieht man von Mitgliedern wie Ungarn ab.
Diskutiert wurde bei dem Pariser Gipfel laut inoffiziellen Stimmen auch über eine europäische Großanleihe von bis zu 500 Milliarden Euro. Sie würde dazu dienen können, den Kontinent gegen eine allfällige russische Aggression militärisch zu wappnen. Ob die Schuldaufnahme durch die EU getätigt würde, ist offen. Berlin war bisher gegen diesen französischen Vorschlag.