Saturday, December 7, 2024

Notre-Dame-Eröffnung: Der Pariser Erzbischof durchkreuzte Macrons Pläne

Frankfurter Allgemeine Zeitung Notre-Dame-Eröffnung: Der Pariser Erzbischof durchkreuzte Macrons Pläne Thomas Jansen • 13 Std. • 2 Minuten Lesezeit Es sieht so aus, als habe Laurent Ulrich dem französischen Präsidenten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ursprünglich soll Emmanuel Macron geplant haben, zur Wiedereröffnung von Notre-Dame an diesem Samstag dem katholischen Klerus von Paris in der Kathedrale die Schlüssel für die wiederaufgebaute Kirche zu überreichen. Dem soll sich Ulrich widersetzt haben. Am Ende einigten sich Erzbistum und Élysée-Palast auf eine säuberliche Trennung. Zu Beginn der weltliche Teil: Macron hält auf dem Vorplatz der Kathedrale eine Rede. Dann der geistliche: Der Erzbischof berührt im vollem Ornat die Türen von No­tre-Dame mit seinem Bischofsstab und gibt damit das Zeichen für ihre Öffnung. In der Kathedrale segnet Ulrich anschließend die berühmte Orgel, die nach dem Brand komplett zerlegt, gereinigt und neu zusammengebaut werden musste. Ein Mann des Ausgleichs Die Altarweihe am Sonntag wird Ulrichs erster Gottesdienst in seiner Bischofskirche sein. Als seine Amtszeit begann, war der Wiederaufbau der Kathedrale noch in vollem Gange, seine Einführung im Mai 2022 musste daher in die Kirche Saint-Sulpice verlegt werden. Nicht nur Notre- Dame lag damals in Trümmern, auch im Erzbistum Paris lag manches im Argen: Die Erzdiözese mit gut 1,3 Millionen Katholiken war von internen Querelen und den Folgen des Missbrauchskandals erschüttert, der nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts einer unabhängigen Kommission im Herbst 2021 seinen Höhepunkt erreicht hatte. Völlig unbeschadet ist auch Ulrich im Missbrauchsskandal nicht geblieben. Ihm wurde 2015 vorgehalten, als Erzbischof von Lille einen Priester, der im selben Jahr wegen sexuellen Missbrauchs zu drei Jahren Freiheitsstrafe, zwei von ihnen auf Bewährung, verurteilt wurde, erst nach der Urteilsverkündung von seinen Ämtern suspendiert zu haben. Ulrich, der von 2007 bis 2013 stellvertretender Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz war, wird als Mann des Ausgleichs beschrieben, der aber auch entschlossen auftreten könne. Kirchenpolitisch liegt er auf der Linie von Franziskus. Der hat ihn allerdings bis heute nicht in den Kardinalsrang erhoben, wie es für die Erzbischöfe von Paris üblich ist, und ihn mit der Ablehnung der Einladung Macrons zur Wiedereröffnung in eine miss­liche Lage gebracht. Für den Festmarathon an diesem Wochenende hat sich der 73 Jahre alte Geistliche auch ohne Papst ein ambitioniertes Ziel gesetzt: „Diese Tage der Wiedereröffnung werden Tage großer Freude sein“, sagte er jüngst, „aber auch Tage großer Einfachheit und Innerlichkeit.“ Letzteres dürfte mit rund fünfzig Staats- und Regierungschefs, unter ihnen Donald Trump, nicht ganz leicht werden.