Friday, December 6, 2024
„Keine Bagatelldelikte“: Olaf Scholz und der Cum-Ex-Skandal – kostet es ihn seine Kanzlerkandidatur?
Merkur
„Keine Bagatelldelikte“: Olaf Scholz und der Cum-Ex-Skandal – kostet es ihn seine Kanzlerkandidatur?
Theresa Breitsching • 4 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll zum dritten Mal als Zeuge im „Cum-Ex“-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft vernommen werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte heute zum dritten Mal als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal aus – woran kann er sich erinnern?
Hamburg – Bundeskanzler Olaf Scholz hatte heute einen wichtigen Termin in Hamburg. Er war als Zeuge zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft geladen und musste in einem Sitzungssaal Rede und Antwort stehen. Er sagt zum bereits dritten Mal als Zeuge aus. Die ersten beiden Male konnte er sich an wenig erinnern. Heute gab er sich kämpferisch: „Mein ganzes politisches Leben habe ich mich für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt“.
Erinnerungslücken: Kostet der Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre Olaf Scholz die Kanzlerkandidatur?
Der milliardenschwere Betrug am deutschen Staat, der als einer der größten Steuerskandale des Landes gilt, liegt über zehn Jahre zurück – doch eine vollständige Aufklärung steht noch aus. Der heute stattfindende Untersuchungsausschuss soll die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals einen Schritt näher bringen, auch Bundeskanzler Olaf Scholz wurde befragt.
Der Hintergrund zur Affäre: Zwischen 2001 und 2016 betrugen Banker, Anwälte und Investoren den deutschen Staat durch Steuertricks und Aktiengeschäfte. Der Schaden für den Staat beläuft sich auf rund 30 Milliarden Euro. Seit Jahren ermitteln Staatsanwaltschaften und Gerichte in diesem Fall. Einen Überblick über die Cum-Ex-Affäre, worum es geht und was Olaf Scholz damit zu tun hat, gibt es hier.
In den vorausgegangenen beiden U-Ausschüssen, zu denen Olaf Scholz geladen wurde, drehte sich die Untersuchung um die betrügerischen Geschäfte der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, die durch Cum-Ex-Geschäfte Millionen Euro verdiente, indem sie sich Steuern erstatten ließ, die nie gezahlt wurden. Nachdem der Fall aufgedeckt wurde, sollte die Bank dem Hamburger Finanzamt 47 Millionen Euro zurückzahlen. Im November 2016 verzichteten die Behörden plötzlich auf die Zahlung. Brisant sind vor allem Tagebuch-Einträge von Warburg-Miteigentümer Christian Olearius, der angibt, dass es bei Treffen mit Scholz auch um Cum-Ex-Themen ging. Daran konnte sich Scholz jedoch nicht erinnern.
Cum-Ex-Skandal: Kann sich der Bundeskanzler heute an mehr erinnern?
Heute nahm Bundeskanzler Scholz zu weiteren Vorwürfen in Bezug auf die HSH Nordbank Stellung nehmen. Diese war ebenfalls in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt und hatte zwischen 2008 und 2011 in 29 Fällen Kapitalertragssteuern erstattet bekommen, obwohl diese nie gezahlt worden waren. Eine Untersuchung der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance, die von der Bank selbst beauftragt wurde, brachte dies ans Licht. Die Bank meldete die Vorfälle der Staatsanwaltschaft und zahlte 2014 rund 126 Millionen Euro an die Steuerbehörden zurück – ein Bußgeld musste sie nicht zahlen.
2018 wurde die HSH Nordbank an US-Investoren verkauft und in Hamburg Commercial Bank (HCOB) umbenannt. Als damaliger Erster Bürgermeister von Hamburg war Scholz in die Verkaufsverhandlungen involviert, wobei Hamburg als Mit-Eigentümer ein Interesse daran haben könnte, die Bank zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen – ein Cum-Ex-Skandal wäre dabei ungünstig gewesen. Neben Scholz müssen auch der frühere Finanzsenator und heutige Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (77, CDU) als Zeugen aussagen.
Olaf Scholz‘ Kampf für ein „gerechtes Steuersystem“: Bundeskanzler weist Einflussnahme zurück
Bei seinem heutigen Auftritt vor dem U-Ausschuss weist der Bundeskanzler jede politische Einflussnahme zurück – sowohl bei der Hamburger Warburg Bank, als auch bei der HSH Nordbank. Scholz betont am Zeugenstand, dass Steuerhinterziehung und Steuerbetrug „keine Bagatelldelikte“ seien, sondern „schwere Straftaten“, zitiert die Deutsche Pressagentur. Zudem seien sie unsolidarisch. „Mein ganzes politisches Leben habe ich mich für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt“, so Scholz. Daher sei für ihn selbstverständlich: Steuerhinterziehung und Gestaltungsmodelle wie Cum-Ex oder Cum-Cum „gehören konsequent aufgeklärt und verfolgt“.
Der Cum-Ex-Skandal kommt für Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da er sich mitten im Wahlkampf befindet. Zwar wird gegen ihn nicht ermittelt, er ist lediglich als Zeuge geladen und eine politische Einflussnahme seinerseits konnte nicht nachgewiesen werden – dennoch könnten seine Erinnerungslücken bei den Wählern negativ ankommen. Und für die Wiederwahl braucht Olaf Scholz eben genau das: Wählerstimmen. Der letzte Termin für die Zeugenbefragung ist der 20. Dezember. Anschließend wird der Abschlussbericht erarbeitet, dessen Veröffentlichung jedoch mitten im intensiven Bundestagswahlkampf erfolgen könnte.