Tuesday, July 23, 2024
US-Wahlkampf: Wer wird Kamala Harris’ Vize?
Handelsblatt
US-Wahlkampf: Wer wird Kamala Harris’ Vize?
Dörner, Astrid • 7 Std. • 4 Minuten Lesezeit
Die Demokratin steuert auf die Nominierung zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin zu. Nun braucht sie noch einen „Running Mate“. Vier Politiker haben gute Chancen auf den Posten.
Kamala Harris hat die Zeit bis zur US-Präsidentschaftswahl genau im Blick. „Einen Tag haben wir geschafft, 105 liegen noch vor uns“, schrieb die Vize-Präsidentin am Montag auf dem Kurznachrichtendienst X, bevor sie zu ihrer Wahlkampfzentrale nach Wilmington, im US-Bundesstaat Delaware aufbrach.
Die Demokratin hat in den ersten 36 Stunden nach Joe Bidens Rückzug aus dem Rennen um das Amt des Präsidenten die Unterstützung mächtiger Parteifreunde gewonnen und Rekordsummen an Spendengeldern eingesammelt.
Am Montagabend hatte Harris dann bereits mehr als genug Delegierte auf ihrer Seite, um sich theoretisch die Nominierung zu sichern, wie aus einer inoffiziellen Umfrage der Nachrichtenagentur AP hervor geht.
Nun steht die 59-Jährige „vor ihrer ersten wichtigen Entscheidung“, sagt ein Stratege in Washington. „Sie muss mit Bedacht auswählen, wer mit ihr als möglicher Vizepräsident kandidieren soll.“
Harris weiß genau, worauf es dabei ankommt. Schließlich ist sie selbst 2021 als Vize mit Joe Biden ins Weiße Haus eingezogen. Derzeit sind eine Reihe von Kandidaten als sogenannte „Running Mates“ im Gespräch. Hier eine Auswahl der wichtigsten:
Josh Shapiro
Seit 2023 ist der 51-Jährige Gouverneur von Pennsylvania und gilt als ein aufsteigender Stern der Partei. Josh Shapiro „ist sehr beliebt“, sagt ein Beobachter in Washington. Pennsylvania ist zudem ein hart umkämpfter Bundesstaat bei der Präsidentschaftswahl.
Shapiro selbst hat sich als Anpacker inszeniert. „Get Shit Done“ lautet sein Slogan. Für den schnellen Wiederaufbau einer eingebrochenen Autobahnstrecke hatte er etwa in der Vergangenheit viel Anerkennung erhalten.
Mark Kelly
Der Senator aus dem Swing State Arizona hat im Golfkrieg gedient und früher als Astronaut gearbeitet. Er würde Harris damit vor allem mit seiner Expertise rund um die Nationale Sicherheit unterstützen. Mark Kelly ist mit Gabby Giffords verheiratet, einer ehemaligen Kongressabgeordneten, die im Jahr 2011 Opfer eines Attentats wurde. Seitdem setzen sich beide stark für stärkere Waffenkontrollen ein – ein Thema das gerade bei weiblichen Wechselwählerinnen gut ankommen könnte.
Da Arizona ein Grenzstaat ist, fährt Kelly in Sachen Grenzschutz einen härten Kurs als die meisten anderen Demokraten. Damit könnte er Angriffe der Republikaner abwehren, die den Demokraten vorwerfen, sie würden für unkontrollierte Einwanderung und offene Grenzen stehen.
Roy Cooper
Der Gouverneur von North Carolina ist ein gemäßigter Demokrat. Bevor er 2016 zum Gouverneur gewählt wurde, war Roy Cooper vier Amtszeiten lang Generalstaatsanwalt des Staates und saß im Repräsentantenhaus und im Senat, wo er Mehrheitsführer war. Cooper will Medicaid erweitern, eine staatliche Gesundheitsversorgung für Einkommensschwache. Er engagiert sich zudem stark für den Kampf gegen den Klimawandel und für die öffentliche Bildung.
J.B. Pritzker
Der Gouverneur von Illinois überzeugt unter anderem mit seinem Vermögen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg liegt es bei 4,3 Milliarden Dollar. Schon jetzt setzt J.B. Pritzker seine Gelder dafür ein, Kandidaten und Themen zu unterstützen, die ihm wichtig sind. „Er könnte auch große Summen für den Präsidentschaftswahlkampf aufbringen“, glaubt ein Banker in New York.
Seinen Einfluss soll Pritzker auch geltend gemacht habe, um den Parteitag der Demokraten im August in seinem Bundesstaat stattfinden zu lassen. Die Demokraten treffen sich Mitte August in Chicago. Als Pritzker sich am Montag für Harris aussprach, betonte er, es sei „höchste Zeit“, dass die USA eine Frau zur Präsidentin wählten.
Pritzker wäre auch ein gutes Signal an Corporate America, glaubt ein Investor, der schon seit Jahren Spenden für die Demokraten einsammelt. Viele Manager und Banker seien derzeit irritiert. Sie hielten schon Biden nicht gerade für einen Freund der Wirtschaft, und machten sich nun Sorgen, dass Harris sich noch weiter von ihnen entfernt.
Gleichzeitig fühlten sich viele Unternehmer bei dem republikanischen Kandidaten Donald Trump und dessen Vize J.D. Vance nicht gut aufgehoben. Vance macht sich für Gewerkschaften stark und will große Tech-Konzerne aufbrechen, was auch an der Wall Street nicht gut ankommt.
Die Zeit drängt
Kamala Harris muss sich zwischen diesen – und möglichen anderen – Kandidaten nun schnell entscheiden. Ihr bleiben nur noch gut drei Monate für die Vorbereitung ihrer Wahlkampagne, „und damit hat sie praktisch keinen Spielraum für Fehlentscheidungen“, gibt der Stratege aus Washington zu bedenken.
Immerhin: Konkurrenten, die gegen sie antreten wollen, gibt es bislang nicht. Eine überraschend große Zahl an einflussreichen Parteikollegen hat sich seit Sonntagnachmittag für sie als Kandidatin ausgesprochen. Darunter die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, der frühere Präsident Bill Clinton und dessen Frau Hillary, die unter Barack Obama Außenministerin war und die Wahl gegen Donald Trump 2016 verloren hatte. Auch Senatorin Elizabeth Warren, die den linken Flügel der Partei vertritt, stellte sich hinter Harris.
Die Demokraten sammelten am Sonntag und Montag zudem 106 Millionen Dollar an Spenden von kleinen Geldgebern ein, wie die Plattform ActBlue mitteilte – ein Rekord. Allerdings geht daraus nicht hervor, welche Gelder für Harris sind und welche für Kandidaten aus dem Kongress, die im November ebenfalls gewählt werden.
Auch wichtige Großspender wie Linkedin-Gründer Reid Hoffman und Investor George Soros kündigten ihre Unterstützung für Harris an. Die Spendenorganisation Future Forward meldete zudem, dass sie Zusagen in Höhe von 150 Millionen Dollar für die derzeitige Vizepräsidentin erhalten hätten. Geflossen ist dieses Geld indes noch nicht.
Es gibt auch Kritik an der Geschwindigkeit
Nicht allen demokratischen Unterstützern gefällt, dass Harris ohne Konkurrenz zur Nominierung marschiert. Einige hätten sich ein offeneres Verfahren gewünscht, bei dem auch andere Kandidaten eine Chance bekommen hätten.
Harris’ Umfragewerte seien in wichtigen Swing States nicht so gut wie die von Trump, gibt etwa Whitney Tilson zu bedenken. Der ehemalige Hedgefonds-Manager ist schon seit vielen Jahren ein Unterstützer der Demokraten und hat in den vergangenen Wochen mit Auftritten in den Medien immer wieder Stimmung gegen Joe Biden gemacht.
Harris würde nun „effektiv zur Kandidatin gekrönt“, moniert er, ohne dass es einen demokratischen Prozess gegeben hätte. Das könnte die wichtigen Wechselwähler verschrecken, die Harris eigentlich unbedingt gewinnen muss.