Monday, July 15, 2024
"Ungeheuerliches Versagen": "Blinder Fleck": Was beim Trump-Attentat alles schieflief
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"Ungeheuerliches Versagen": "Blinder Fleck": Was beim Trump-Attentat alles schieflief
Geschichte von Marc Dimpfel • 1 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Experten attestieren den Behörden nach dem Attentat auf Donald Trump ein Scheitern auf mehreren Ebenen. Ein örtlicher Polizist ließ den Attentäter offenbar in Todesangst gewähren. Die Scharfschützen des Secret Service hatten laut einer Analyse kein freies Schussfeld.
Auf zwei Dächern neben der Bühne waren Scharfschützen positioniert.
Nach dem Attentat auf Donald Trump reißt die Kritik an den Sicherheitsbehörden nicht ab. Wie es möglich war, dass der 20-jährige Thomas Matthew Crooks sich auf dem rund 135 Meter entfernten Flachdach platzieren, sein halbautomatisches Gewehr in Stellung bringen und mehrere Schüsse auf den früheren US-Präsidenten abfeuern konnte, ist derzeit Gegenstand von Ermittlungen. Obwohl Zuschauer auf den Attentäter aufmerksam machten, wurde er von Trumps Leibwächtern erst nach Abgabe der Schüsse ins Visier genommen.
Nach Angaben des Polizeichefs von Butler County, Michael Slupe, war jedoch ein örtlicher Polizeibeamter den Zeugenhinweisen nachgegangen und auf das Dach geklettert. Dort habe der Attentäter den Polizisten mit seinem AR-15-Gewehr bedroht. Der Beamte habe daraufhin das Dach wieder verlassen, "weil er nicht getötet werden wollte", sagte Slupe der "Washington Post". Crooks habe im Anschluss das Feuer auf Trump eröffnet und wurde vom Secret Service erschossen.
Zwei Einheiten des Secret Service mit jeweils zwei Scharfschützen sollten auf der Veranstaltung für Trumps Schutz sorgen, sie waren auf zwei Hausdächern links und rechts hinter der Bühne positioniert. Dass sie Crooks nicht früher entdeckten, lag laut einer Analyse des Senders Sky News wohl an einem "blinden Fleck". Ein Baum versperrte demnach der näher gelegenen Einheit die Sicht auf den Schützen. Auch das Blickfeld des zweiten Scharfschützen-Teams könnte durch den Baum zumindest beeinträchtigt gewesen sein. Das würde erklären, warum die Secret-Service-Agenten trotz der Hinweise nicht früher intervenierten.So lief das Attentat auf Ex-Präsident Trump ab
Zwei Einheiten des Secret Service mit jeweils zwei Scharfschützen sollten auf der Veranstaltung für Trumps Schutz sorgen, sie waren auf zwei Hausdächern links und rechts hinter der Bühne positioniert. Dass sie Crooks nicht früher entdeckten, lag laut einer Analyse des Senders Sky News wohl an einem "blinden Fleck". Ein Baum versperrte demnach der näher gelegenen Einheit die Sicht auf den Schützen. Auch das Blickfeld des zweiten Scharfschützen-Teams könnte durch den Baum zumindest beeinträchtigt gewesen sein. Das würde erklären, warum die Secret-Service-Agenten trotz der Hinweise nicht früher intervenierten.
"Trump hatte vielleicht sogar noch mehr Glück, als wir ursprünglich dachten", schreibt der Datenanalyst auf X. "Angesichts des Standorts der beiden Scharfschützenteams und des Schützen scheint es, dass nur das südliche Team nicht vollständig durch einen Baum behindert wurde. Hätte sich der Schütze drei Meter weiter östlich befunden, wären auch sie behindert worden." Dennoch ist es für Alexander unverständlich, dass der Secret Service Crooks nicht bemerkte. "Das Dach des Geheimdienstes liegt etwas höher als das Dach des Schützen. Sie hätten zumindest etwas sehen können", schreibt er.Oliver Alexander
Wie CNN berichtet, waren neben den Scharfschützen des Secret Service auch zwei lokale Sniper-Teams vor Ort. Eines der beiden Teams sei zur Überwachung des Gebäudes, auf das sich der Schütze gelegt hatte, zuständig gewesen, heißt es unter Berufung auf eine anonyme Quelle.
Verdeckte Mauer die Waffe?
Der ehemalige FBI-Agent und Scharfschütze Steve Moore sagte CNN, die Agenten könnten über den Standort des Schützen informiert gewesen sein, hätten aber eine "sehr eingeschränkte Sicht gehabt". "Man kann nicht einfach sagen: 'Oh, da ist jemand auf dem Dach' und ihn erschießen", sagte Moore. "Was sie tun, ist zu schauen, zu warten, bis sie eine Waffe sehen. Das Problem ist, dass es in diesem Bereich auf dem Dach eine leichte Mauer geben könnte, die ihn verdeckt hat."
Auch, dass sich der Schütze außerhalb des gesicherten Bereichs befand, sorgt unter Experten für Unverständnis. "Wenn man sich diese Karte ansieht, weist sie so deutlich hin auf die Gebäude, die sich eindeutig in Schussweite befinden", sagte der ehemalige stellvertretende FBI-Direktor Andrew McCabe zu CNN. Es sei eine der Grundlagen der Standortsicherung, alle Sichtlinien zur Schutzperson auszuschalten, insbesondere bei Außengeländen.
Bei der Sicherheitsplanung derartiger Veranstaltungen verlässt sich der Secret Service routinemäßig auf die örtlichen Behörden, so auch in diesem Fall, sagte ein Behördensprecher der "New York Times". Beamte des Secret Service würden dem Bericht zufolge stets einen Rundgang durch das Gelände vornehmen, um die notwendigen Ressourcen zu ermitteln. Laut dem US-Sender NBS News hatte der Secret Service das Dach bereits Tage vor dem Ereignis als Sicherheitsrisiko identifiziert. "Jemand hätte auf dem Dach sein oder das Gebäude sichern müssen, damit niemand auf das Dach gelangen kann", wird eine anonyme Quelle zitiert. Warum dies nicht geschehen ist, sei eine zentrale Frage der Ermittlungen.
Bei der Sicherheitsplanung derartiger Veranstaltungen verlässt sich der Secret Service routinemäßig auf die örtlichen Behörden, so auch in diesem Fall, sagte ein Behördensprecher der "New York Times". Beamte des Secret Service würden dem Bericht zufolge stets einen Rundgang durch das Gelände vornehmen, um die notwendigen Ressourcen zu ermitteln. Laut dem US-Sender NBS News hatte der Secret Service das Dach bereits Tage vor dem Ereignis als Sicherheitsrisiko identifiziert. "Jemand hätte auf dem Dach sein oder das Gebäude sichern müssen, damit niemand auf das Dach gelangen kann", wird eine anonyme Quelle zitiert. Warum dies nicht geschehen ist, sei eine zentrale Frage der Ermittlungen.
"Ungeheuerliches Sicherheitsversagen"
"Was für eine Zone ist denn das?", fragte Richard Painter, Ex-Mitarbeiter des Weißen Hauses und Jura-Professor an der University of Minnesota, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Wenn sich ein Dach innerhalb der Reichweite eines Gewehrs bis zu einem Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten befinde, "dann ist es der Secret Service, der auf diesem Dach sein sollte", so Painter. Er sieht ein "ungeheuerliches Sicherheitsversagen."
Doch auch unmittelbar, nachdem eine Kugel Trumps Ohrmuschel durchlöchert hatte, verhielt sich der Secret Service dem Politikwissenschaftler Thomas Jäger zufolge unverantwortlich. Das Bild, auf dem der blutverschmierte und von Agenten umgebene Trump die Faust ballt, ging um die Welt. Zugleich sei es "in mehrerer Hinsicht verstörend". "Der Secret Service handelt in dieser Situation fahrlässig und völlig unprofessionell. Es ist eigentlich undenkbar, dass der Präsident den Kopf rausstrecken darf und kann, wenn noch unklar ist, ob es noch einen zweiten oder dritten Schützen gibt, ob der Schütze getötet wurde. Normalerweise wird das nicht zugelassen", sagte Jäger zu ntv.de.
Die Debatte um mögliche Sicherheitslücken beim Secret Service dürfte sich durch den Mordversuch nochmal verschärfen, neu ist sie allerdings nicht. Bereits Ende Mai hatte der Kongressabgeordnete James Comer vor "potenziellen Risiken für die nationale Sicherheit" gewarnt, die durch Schwachstellen innerhalb der Behörde entstehen könnten. Der Republikaner leitete eine Untersuchung des Anschlags ein. Zeit zum Durchatmen bleibt dem Secret Service indes nicht. Beim Parteitag der Republikanischen Partei in Milwaukee soll Trump offiziell zum Spitzenkandidaten für die US-Präsidentschaftswahl im November gekürt werden. Dort werde man "Sicherheit der höchsten Stufe" gewährleisten, teilte die Behörde mit.