Wednesday, May 7, 2025

Verteidigung: Merz und Macron kündigen Reformagenda für Europa an

Handelsblatt Verteidigung: Merz und Macron kündigen Reformagenda für Europa an Waschinski, Gregor • 1 Std. • 4 Minuten Lesezeit Deutschland und Frankreich wollen enger zusammenarbeiten. Verteidigung, nuklearer Schutzschild, Europa und Handelspolitik: Worüber Merz bei seiner ersten Auslandsreise mit Macron sprach. Bei seiner ersten Auslandsreise als Bundeskanzler hat Friedrich Merz (CDU) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine enge Abstimmung der beiden Länder vereinbart. Merz sprach bei seinem Besuch in Paris am Mittwoch von einem „deutsch-französischen Neustart für Europa“. Beide Länder planen Arbeitsgruppen zu einer Reihe von Themen. Die Agenda könnte schon im Sommer bei einem deutsch-französischen Regierungstreffen beschlossen werden. Klar ist: Vor allem bei der Verteidigung wollen Berlin und Paris noch enger als bisher zusammenarbeiten. Am Nachmittag wollte Merz nach Warschau weiterreisen. Macron sagte, Deutschland und Frankreich schlügen nun ein „neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen, in der deutsch-französischen Freundschaft und beim großen europäischen Projekt“ auf. Es gehe darum, dass in allen Politikbereichen ein „deutsch-französischer Reflex“ Einzug halte und Vorhaben „systematisch gemeinsam angegangen“ würden. Deutschland und Frankreich: Engere Zusammenarbeit bei der Verteidigung Die Agenda stellte der französische Präsident unter den Dreiklang „Souveränität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit“. Merz erinnerte daran, dass die Europäische Union (EU) vor „enormen Herausforderungen“ stehe. Daher müssten Deutschland und Frankreich ihre Differenzen etwa rund um die Atomkraft oder in der Handelspolitik hinter sich lassen und Kompromisse finden. Merz und Macron wollen "Neustart für Europa" Bei der Verteidigung planen beide, gemeinsame Rüstungsprogramme zu beschleunigen, etwa beim Kampfpanzer der Zukunft und bei Projekten für Langstreckenraketen. Geplant ist laut Macron auch ein „deutsch-französisches Programm für Innovationen im Verteidigungsbereich, um bahnbrechende Innovationen zu ermöglichen, die für den Krieg von morgen notwendig sind“. Eine neue Rolle soll dabei der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat bekommen, der bislang eher ein Anhängsel der Regierungskonsultationen war. Macron sagte, das Gremium werde künftig regelmäßig zusammentreten und „operationelle Antworten“ auf gemeinsame Herausforderungen geben. Merz sprach in diesem Zusammenhang vom „Format drei plus drei“, also die Beratungen von Kanzler und Präsident mit den Verteidigungs- und Außenministern beider Länder. In dieser Runde soll demnach auch Macrons Angebot erörtert werden, den Schutzschirm der französischen Nuklearwaffen auf Deutschland auszudehnen. Der Kanzler machte allerdings deutlich, dass der Atomschirm des Nachbarlandes nur eine Ergänzung und kein Ersatz der nuklearen Sicherheitsgarantien durch die USA in der Nato sein könne. Merz plant Besuch in der Ukraine – mit Macron? In dem Format soll auch die Abstimmung mit Blick auf die Bedrohung durch Russland erfolgen. Macron bekräftigte das Ziel eines „gerechten und dauerhaften Friedens“ für die Ukraine. Merz kündigte eine Reise nach Kiew „innerhalb der nächsten Wochen“ an. Offen ließ er, ob er womöglich gemeinsam mit Macron fährt, der ebenfalls einen Besuch in der Ukraine plant. „Wir wollen gemeinsam aus der EU heraus jeden Beitrag leisten, dass es einen dauerhaften Waffenstillstand gibt“, sagte der Kanzler. Dabei betonte er, dass dies gemeinsam mit der US-Regierung von Donald Trump gelingen solle. „Wir wollen, dass die Amerikaner an Bord bleiben“, auch bei späteren Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Macron begrüßte die geplanten Ausgaben für Rüstung und Infrastruktur der neuen deutschen Regierung, die in Paris als Bruch mit der Austeritätspolitik – Disziplin oder Willen, die Staatsschulden zu reduzieren – gesehen werden. Der Präsident bezeichnete das noch vom scheidenden Bundestag verabschiedete Schuldenpaket als „historische Entscheidung“. In den nächsten Jahren seien in ganz Europa massive Investitionen erforderlich, die sowohl durch öffentliche Haushalte als auch die Mobilisierung von privatem Kapital erfolgen müssten. Merz machte allerdings auch deutlich, dass die europäischen Schuldenregeln weiter greifen müssten: „Der Fiskalpakt gilt.“ In der gemeinsamen Verteidigung verfolgen Merz und Macron auch eine ambitionierte Wirtschaftsagenda. So soll die Kapitalmarktunion gelingen, mit der die Ersparnisse der Europäer stärker für heimische Investitionsprojekte zur Verfügung stehen. Branchen wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Raumfahrt oder grüne Technologien sollen noch stärker gefördert werden. Außerdem soll die EU durch die Vereinfachung von Regeln für Unternehmen grundsätzlich wettbewerbsfähiger werden. Beim gemeinsamen Strommarkt wollen Merz und Macron die bilateralen Konflikte überwinden und zu einem Vorbild in der EU werden. Das Ziel ist „Technologieneutralität“, bei der weder Atomkraft noch erneuerbare Energien bevorzugt werden. Geplant ist auch der Ausbau von grenzüberschreitenden Verbindungen im Stromnetz. Wegen US-Politik: Merz und Macron peilen neue Handelsabkommen an Angesichts der Zollpolitik von US-Präsident Trump sehen Merz und Macron die Notwendigkeit von neuen Handelsabkommen. Der französische Präsident sagte, man wolle die internationalen Absatzmärkte, Lieferketten und Rohversorgung diversifizieren. Wichtig seien aber Rahmenbedingungen, die europäische Unternehmen und Hersteller vor unfairer Konkurrenz schützen. Knackpunkt bleibt das Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Paris lehnt dies in der derzeitigen Form weiter ab und fordert Schutzklauseln für die Landwirtschaft. Merz sagte am Mittwoch, dass Mercosur „so schnell wie möglich verabschiedet und in Kraft gesetzt werden sollte“. Die französischen Bedenken seien aber „Einzelthemen, die das Ganze nicht infrage stellen“. Im Prinzip sei er sich mit Macron in der Handelspolitik aber einig, auch bei Mercosur könne man „einen gemeinsamen Weg finden“. Beim Schutz der Grenzen wollen Merz und Macron den Migrations- und Asylpakt der EU im Einklang umsetzen sowie beim künftigen europäischen Regelwerk eng zusammenarbeiten. Priorität habe dabei das Funktionieren des Schengenraums, sagte Macron. Schließlich ist eine enge deutsch-französische Abstimmung der nationalen Reformen im Bereich Wirtschaft, Soziales und Steuern vorgesehen.