Monday, December 2, 2024

Frankreichs Regierung wird am Mittwoch gestürzt – „wenn nicht noch ein Wunder geschieht“

Berliner Zeitung Frankreichs Regierung wird am Mittwoch gestürzt – „wenn nicht noch ein Wunder geschieht“ Raphael Schmeller • 9 Std. • 2 Minuten Lesezeit Nach nur zwei Monaten dürfte seine Amtszeit bald zu Ende sein: Frankreichs Premierminister Michel Barnier. Es wird eng für die französische Regierung. Weil er keine Mehrheit hat, hat Premierminister Michel Barnier am Montag seinen umstrittenen Haushalt für 2025 ohne weitere Abstimmung durchs Parlament gebracht – mit Hilfe des berüchtigten Verfassungsartikels 49.3. Dieses Manöver dürfte das Ende der Regierung bedeuten. Denn unmittelbar nach einem 49.3-Dekret kann die Nationalversammlung der Regierung eine Vertrauensabstimmung aufzwingen. Die Linke wie die Rechte – geeint in ihrer Frustration über den Ausgang der Haushaltsdebatte und empört über das Manöver des Artikels 49.3, das Parlament bei der Ausübung seines wichtigsten Rechts zu übergehen – dürften das schwache Kabinett Barnier noch in dieser Woche zu Fall bringen. Am Mittwoch oder Donnerstag will das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) einen entsprechenden Misstrauensantrag im Parlament einbringen. Der Chef des rechten Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, kündigte am Montag an, seine Partei werde dem Antrag zustimmen, „wenn nicht in letzter Minute noch ein Wunder geschieht“. Zwar telefonierte Barnier am Montagmittag mit RN-Fraktionschefin Marine Le Pen, um ihr mitzuteilen, dass er auf die geplante Erhöhung der Eigenbeteiligung für verschreibungspflichtige Medikamente verzichten werde. Vergangene Woche hatte Barnier auf Wunsch Le Pens bereits auf die Erhöhung der Stromsteuer verzichtet und Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung von Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus angekündigt. Doch die Zugeständnisse reichten offenbar nicht aus. Auch Le Pen kündigte am Nachmittag an, den Misstrauensantrag der Linken unterstützen zu wollen. NFP und RN haben zusammen mehr als 300 Stimmen, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Französische Regierung hängt am seidenen Faden - Misstrauensvotum wahrscheinlich Macron hatte den konservativen Barnier nach vorgezogenen Parlamentswahlen Anfang September zum Regierungschef ernannt, obwohl das Linksbündnis NFP die Abstimmung gewonnen hatte. Seitdem regiert Barnier mehr schlecht als recht: Sein Bündnis aus Konservativen und Macrons Mitte-Lager kommt in der 577-köpfigen Nationalversammlung auf 211 Stimmen und ist damit gelähmt. Unter Präsident Emmanuel Macron haben die Regierungen den Artikel 49.3 bereits mehrfach benutzt. Die prominenteste Anwendung war im Frühjahr 2023, um die heftig umstrittene Rentenreform durchzusetzen, obwohl das Parlament und gut 80 Prozent der Bevölkerung die Maßnahme ablehnten. Im aktuellen Haushaltsstreit geht es darum, dass Barnier im Budget für 2025 60 Milliarden Euro einsparen will. Damit soll Frankreichs Defizit im kommenden Jahr auf fünf Prozent und bis 2029 auf drei Prozent gedrückt werden; das Maximum, das die EU-Schuldenregeln erlauben. Der Regierungschef besteht darauf, seriös und verantwortungsvoll zu handeln. Er werde nicht zulassen, dass die Parteien im Parlament Haushaltspolitik mit Klientelpolitik verwechseln. Dafür sei die finanzielle Lage der Republik viel zu ernst. Tatsächlich sind die Kreditkosten Frankreichs inzwischen höher als die Griechenlands. Regierungssprecherin Maud Bregeon sagte deshalb mit Blick auf die Euro-Krise 2009, Frankreich stehe vor einem möglichen „griechischen Szenario“. Finanzminister Antoine Armand verglich Frankreich mit einem „Passagierflugzeug in großer Höhe, das abzustürzen droht“. Sollte Frankreich ab Mittwoch oder Donnerstag keine Regierung mehr haben, wird sich die Situation weiter verschärfen. Wie es in den nächsten Wochen weitergeht, ist völlig offen. Das Land steckt in einer tiefen politischen Krise, in der sich drei etwa gleich starke Blöcke – Mitte, Links und Rechts – gegenseitig blockieren.