Saturday, December 7, 2024

Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Wie Hamburg im Umgang mit Steuerkriminellen scheitert

ZEIT ONLINE Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Wie Hamburg im Umgang mit Steuerkriminellen scheitert Frank Drieschner • 16 Std. • 3 Minuten Lesezeit Zu wenig Personal, um das Cum-Ex-Geständnis der HSH Nordbank auszuwerten? Hamburgs Bürgermeister nennt seine Finanzbehörde dennoch "eine der besten in Deutschland". Die Schuldfrage hat sich nicht klären lassen, an diesem Freitag im Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Aber so viel ist klar, als am Abend, Stunden nach Bundeskanzler Olaf Scholz, auch der Erste Bürgermeister und frühere Finanzsenator Peter Tschentscher nach seiner Zeugenaussage den Sitzungssaal im Bürgerschaftsgebäude neben der Handelskammer verlässt: Die Bürger und Steuerzahler Deutschlands haben mehr Gründe, sich Sorgen zu machen, als allgemein bekannt ist. Vielleicht mit einer Ausnahme: Steuerkriminelle können entspannt in die Zukunft blicken. Lange hat sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft mit den illegalen Geschäften der Warburg-Bank und den Gründen für die erstaunlich nachsichtige Haltung der Hamburger Finanzverwaltung in dieser Sache beschäftigt. Nun geht es um ein neues Thema: die Cum-Ex-Geschäfte der damals staatlichen HSH Nordbank, die inzwischen privatisiert wurde und Hamburg Commercial Bank heißt. Diese Bank hatte die Steuerzahler mittels Cum-Ex-Geschäften um Millionen gebracht, während sie sich von ihnen mittels öffentlicher Zuschüsse in Milliardenhöhe retten ließ. Und wie man inzwischen weiß, gab es darüber hinaus auch noch sogenannte Cum-Cum-Geschäfte. Der Schaden, der dadurch entstand, liegt in ein- oder auch in dreistelliger Millionenhöhe, je nachdem, wie weit man in Zeiten mit anderer Rechtslage zurückblickt. Nur zwei Mitarbeiter waren für die Auswertung des Berichts zuständig Ihre Cum-Ex-Geschäfte hatte die Landesbank gebeichtet und die Sachlage gegenüber der Hamburger Finanzbehörde in einem ausführlichen Bericht dargelegt. Danach, so könnte man glauben, stand einer Aufklärung und der Verfolgung und Bestrafung der Täter nichts mehr im Wege. Das Problem war: Irgendjemand musste diesen Bericht lesen, auswerten und prüfen. Doch dafür waren zwei Behördenmitarbeiter zuständig, die zusammen 1,6 Vollzeitstellen besetzten – viel zu wenig, wie einer von ihnen gegenüber dem Untersuchungsausschuss berichtete. Selbst in früheren Zeiten seien mehr Finanzbeamte für die HSH Nordbank zuständig gewesen. Finanzsenator war damals Peter Tschentscher, der heutige Erste Bürgermeister. Den Mangel bestreitet er nicht – nur sei es besser eben nicht gegangen: Man habe schlicht kein Personal gehabt. Und es sei unmöglich, nach Belieben Personal in einem Bereich der Steuerverwaltung abzuziehen, um es anderswo einzusetzen. Als die Cum-Ex-Geschäfte der HSH Nordbank bekannt wurden, hatte Tschentscher angekündigt, die Steuerverwaltung werde den Bericht des Bankhauses sorgfältig prüfen und alle erforderlichen Konsequenzen ziehen. Inzwischen formuliert er anders. Die Arbeit seiner damaligen 1,6 Mitarbeiter, sagte er, "empfinde ich schon als intensive Würdigung des Berichts". Für Peter Tschentscher gehört die Hamburger Finanzbehörde zu "den besten in Deutschland" Man muss sich fragen, wie eine Behörde, die selbst mit einem umfassenden Geständnis eines Steuersünders überfordert ist, zu Ergebnissen kommen will, wenn sie die fraglichen Sachverhalte selbst ermitteln muss. Wer in Hessen oder Sachsen lebt, könnte diesen Vorgang für eine Besonderheit eines kleinen Stadtstaats halten, aber wenn Peter Tschentscher recht hat, geht es anderswo schlimmer zu. "Ich bin der Überzeugung", so erklärte er am Freitag dem Untersuchungsausschuss, "dass die Hamburger Finanzbehörde zu den besten in Deutschland gehört." Im Ausschuss hatte Tschentscher bei einem früheren Auftritt auch erklärt – aus der Erinnerung, wie er nun betont –, dass die HSH-Bank wegen ihrer Cum-Ex-Geschäfte ein Bußgeld in Millionenhöhe habe entrichten müssen. Inzwischen ist klar: Ganz so war es nicht. Zwar musste die multikriminelle Landesbank tatsächlich 22 Millionen Euro Bußgeld bezahlen – bloß ging es da nicht um ihre Cum-Ex-Geschäfte, sondern um Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Sie hatte reichen Kunden dabei geholfen, Geld über eine Briefkastenfirma ins Ausland zu schaffen. Die Ermittlungen wurden in Nordrhein-Westfalen geführt, nicht in Hamburg Tschentscher lieferte sich ein langes Rededuell mit dem CDU-Obmann im PUA, Richard Seelmaecker, der ihm zahlreiche Aussagen von Finanzbeamten entgegenhielt, die sich nach eigenem Bekunden nie oder allenfalls flüchtig mit dem Bericht über die Verhältnisse in der HSH Nordbank befasst hatten. Die seien ja alle nicht zuständig gewesen, lautete die Entgegnung. Und: "Sie" – gemeint war nicht Seelmaecker, sondern die christdemokratisch geführten Senate der 2000er-Jahre – "haben ja in allen möglichen Bereichen Personal aufgebaut, nur nicht in der Steuerverwaltung." Diese sei zum "Personalabbaubereich gemacht worden". Und warum hat nie einer der im Bankhaus Verantwortlichen vor Gericht gestanden? Das, erklärte der damalige Finanzsenator, sei eine Frage an die Staatsanwaltschaft und politischer Einfluss an dieser Stelle verbiete sich von selbst. Im Übrigen seien die Ermittlungen ja in Nordrhein-Westfalen geführt worden, nicht in Hamburg. Tatsächlich wird dort inzwischen gegen HSH-Mitarbeiter ermittelt. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Hamburger auch in dieser Frage allein hätten zurechtkommen müssen.