Sunday, November 24, 2024
Ukraine rechnet mit Merkel-Statement ab: Sollte „Fiasko“ eingestehen
Merkur
Ukraine rechnet mit Merkel-Statement ab: Sollte „Fiasko“ eingestehen
Lisa Mahnke • 20 Std. • 2 Minuten Lesezeit
Memoiren der Ex-Kanzlerin
Ex-Botschafter Melnyk sieht Merkels Ukraine-Politik als gescheitert. Auch mit ihren Memoiren rechnet er ab. Er fordert eine Aufarbeitung.
Berlin – Andrij Melnyk, der lange ukrainischer Botschafter in Deutschland war, hält die Ukraine-Politik der Ex-Kanzlerin Angela Merkel für gescheitert. Nun gehöre das Scheitern zum „außenpolitischen Vermächtnis von Angela Merkel“, so Melnyk. Beim Ukraine-Krieg ist kein Ende in Sicht und der Ex-Botschafter wünscht sich Aufarbeitung.
„Es wäre ein Zeichen der Stärke und keine Schwäche, dieses Fiasko zumindest in den Memoiren einzugestehen, damit solche Katastrophen in Zukunft vermieden werden können“, sagte er im Gespräch mit dem Spiegel. Melnyk hatte laut eigenen Aussagen nicht immer ein schlechtes Bild von der Ex-Kanzlerin – es kam mit der Zeit durch ihre Ukraine-Politik.
Erst Bewunderung, dann Enttäuschung: Urteil des Ukraine-Botschafters über Merkel im Wandel
Melnyk habe die ehemalige Bundeskanzlerin zunächst als „beeindruckende starke Persönlichkeit“ bewundert, da sie im Februar 2015 die Vermittlerrolle für die Minsker Vereinbarung übernommen habe. Das Ziel des Abkommens, das von Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine in der belarussischen Stadt Minsk unterzeichnet wurde, den Krieg in der damaligen Ostukraine zu beenden.
Dann wäre er allerdings enttäuscht worden, „als jedem spätestens 2016 klar wurde, dass Putin auf diesen Deal gepfiffen hat, dass er die Besetzung in Donezk und Luhansk de facto zementiert und einen neuen, viel größeren Krieg vorbereitet hat“. Melnyk warf Merkel vor „mit Putin weiter gekuschelt und Nord Stream 2 ganz stur und blind vorangetrieben“ zu haben, statt „stahlhart zu reagieren, neue schmerzhaft Sanktionen einzuführen“.
Merkel verteidigt Ukraine-Politik: Ukraine-Krieg auch ohne Nord Stream 2
„Ich habe es als eine meiner Aufgaben gesehen, für die deutsche Wirtschaft billiges Gas zu bekommen“, so Merkel in der Verteidigung für ihre Entscheidung, trotz der russischen Krim-Annexion 2014 das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 nicht gestoppt zu haben, gegenüber dem Spiegel. „Wir sehen jetzt, welche Folgen teure Energiepreise für unser Land haben.“
Sie begründete ihre Entscheidung auch mit der damaligen politischen Landschaft: „Für den Abbruch des Gashandels mit Russland hätte ich keine politischen Mehrheiten gehabt und schon gar keine Zustimmung in der Wirtschaft.“ Auch habe Nord Stream 2 mit dem Ukraine-Krieg nicht viel zu tun gehabt: „Russland hat den Krieg begonnen, ohne dass jemals Gas durch Nord Stream 2 geflossen ist. Heute füllen andere Länder Putins Kriegskasse. So wäre es auch damals gekommen, wenn wir alle wirtschaftlichen Verbindungen abgebrochen hätten.“
Wie sich die Meinung des aktuellen Botschafters Oleksij Makejew, der am 17. Oktober 2022 für die Nachfolge von Melnyk in Deutschland eintraf, zu Merkels Außenpolitik verhält, ist unklar. Bisher hat er sich nicht dazu geäußert. Vor Melnyk übten jedoch auch einige Parteikollegen der ehemaligen CDU-Chefin Kritik an ihrer Ukraine-Politik. In ihren Memoiren reflektiert Merkel auch über die Politik, die die Ukraine betraf – Melnyk hätte sich wohl aber einen anderen Ansatz gewünscht.