Sunday, November 24, 2024
Nächste US-Regierung: Kompetenz? Ein unwesentlicher Faktor
SZ.de
Nächste US-Regierung: Kompetenz? Ein unwesentlicher Faktor
Boris Herrmann, New York • 1 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Wenige Wochen nach seinem Wahlsieg hat Donald Trump die wichtigsten Posten in seinem Kabinett bereits besetzt. Dieses Tempo könnte Eindruck schinden – wenn die Entscheidungen nur etwas überlegter wirken würden.
Kompetenz? Ein unwesentlicher Faktor
Eines muss man Donald Trump lassen: Er hat sein Kabinett in rekordverdächtigem Tempo zusammengestellt. Keine drei Wochen sind seit der Präsidentschaftswahl in den USA vergangen und Trump hat bereits alle relevanten Personalentscheidungen getroffen und verkündet. Das könnte dafür sprechen, dass er sich sehr akribisch und höchst professionell auf seine zweite Amtszeit vorbereitet hat. Wahrscheinlicher ist, dass es auch deshalb so schnell ging, weil er bei der Auswahl dieses Kabinetts weder akribisch noch professionell vorgegangen ist. Es scheint sich eher um eine Verkettung von Bauchentscheidungen zu handeln, so wie einer an der Kasse von McDonald’s entscheidet, ob er lieber einen Big Mac nimmt oder ein Fish Mac. Donald Trump, das hat sein Schwiegersohn Jared Kushner einmal verraten, nimmt am liebsten einen Big Mac und einen Fish Mac.
In einer idealen Welt werden wichtige Regierungsämter in erster Linie nach Kompetenz vergeben. Die Welt ist in diesem Sinne auch außerhalb Amerikas nicht immer ideal, Ministerinnen und Minister werden beispielsweise nicht selten auch nach Regionalproporz ausgewählt oder weil im Hauptstadtbetrieb irgendwer irgendwem noch einen Gefallen schuldet. Bei Trumps Personalpolitik scheint die Kompetenz aber ein randständiger Faktor zu sein. In einigen Fällen wirkt es so, als habe er exakt die Person für einen Posten ausgewählt, die dafür am wenigsten geeignet ist: Robert F. Kennedy Jr., ein Impfgegner als Gesundheitsminister. Tulsi Gabbard, eine Anhängerin von Kreml-Propaganda an der Spitze der US-Geheimdienste. Oder Lee Zeldin, ein ehemaliger Abgeordneter, der im Kongress regelmäßig gegen Gesetze für sauberes Wasser und saubere Luft stimmte und künftig die Umweltschutzbehörde leiten soll. In diese Reihe gehört natürlich auch die Idee, den Fernsehmoderator Pete Hegseth zum Verteidigungsminister zu machen, obwohl er US-Soldaten, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden, als „Helden“ bezeichnet hatte.
Zumindest in einem Fall ist Trump diese Art von Personalpolitik bereits auf die Füße gefallen. Matt Gaetz, der Justizminister und damit Chef einer Behörde werden sollte, die zuletzt gegen ihn selbst ermittelt hatte, zog sein Kandidatur wieder zurück, als ihm klar wurde, dass er dafür nicht die notwendige Mehrheit im – wohlgemerkt nun wieder republikanisch dominierten - Senat bekommen würde.
Es gibt mindestens zwei Theorien darüber, wie Trump auf solche – nach menschlichem Ermessen – recht absurden Ideen für sein Gruselkabinett kommt. Die eine lautet, dass da auch eine gewisse Wurstigkeit mit im Spiel war, dass Trump oft spontan entschieden hat, ohne sich wirklich mit den Biografien seiner künftigen Kabinettsmitglieder zu beschäftigen. Die Personalie Gaetz soll während eines gut zweistündigen Fluges von West Palm Beach nach Washington erstmals diskutiert und dann noch am selben Tag auf dem Rückflug entschieden worden sein.
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Eine andere Theorie lautet, Trump habe mit solchen Nominierungen die Grenzen der Macht zu seinen Gunsten verschieben wollen. Die eilige Zusammenstellung seiner Mannschaft war demnach auch ein Test, wie weit er gehen kann beim Senat, dem es ja obliegt, die Berufung der Kabinettsmitglieder abzusegnen. Trump hat dieser Theorie zufolge den Machtkampf mit den Senatoren gleich jetzt entscheiden wollen, bevor er richtig begonnen hat. Er hat ihnen demonstriert, dass er bereit ist, sich ziemlich alles zu erlauben und dass er dabei absolute Loyalität erwartet. Im Fall Gaetz ist er damit an seine Grenzen gestoßen. Aber man lehnt sich wohl nicht weit aus dem Fenster, wenn man prophezeit, dass sich das bei den anderen Posten nicht mehr allzu oft wiederholen wird.
Loyalität, das ist überhaupt das entscheidende Wort in diesem Auswahlprozess. Wenn es ein Leitmotiv gibt unter all den Kabinettsmitgliedern und Behördenleitern, die Trump in den vergangenen zweieinhalb Wochen ausgesucht hat, dann ist es ihre Ergebenheit gegenüber dem Boss. Es sind Frauen und Männer mit teils völlig unterschiedlichen Charakteren, Überzeugungen und Biografien, aber sie haben es alle auf die eine oder andere Weise geschafft, Donald Trump zu schmeicheln. Dazu gehört inzwischen fast schon zwingend eine Pilgerfahrt nach Mar-a-Lago, Florida, wo eben nicht nur der Hauptwohnsitz der Trumps ist, sondern auch das Hauptquartier der Maga-Bewegung.
Ein Kabinett mit viel Showbiz-Erfahrung
Was offensichtlich auch nicht geschadet hat, um einen Job in diesem Kabinett zu bekommen, war die regelmäßige Verwendung des Wortes „landslide“. Trump mag es besonders gerne, wenn jemand seinen unzweifelhaften Wahlsieg über Kamala Harris zu einem Erdrutschsieg von historischen Ausmaßen umdeutet. Daraus leitet er auch seinen Auftrag ab, das gesamte System auf den Kopf zu stellen. Dabei hat er in den drei entscheidenden Swing States des Nordens jeweils mit weniger als zwei Prozentpunkten Vorsprung gewonnen und das Popular Vote mit einem der geringsten Abstände der zurückliegenden 150 Jahre.
Wenn Trump für einen Posten mehrere Leute auf dem Zettel hatte, dann ließ er sich offenbar Videos vorführen, bei denen es ihm vor allem darum ging, wie sich die jeweiligen Kandidaten vor Fernsehkameras schlagen. Es muss deshalb kein Zufall sein, dass er am Ende auch eine Fernseh-Fraktion in seinem Kabinett hat, darunter die Fox-News-Moderatoren Pete Hegseth (Verteidigung) und Sean Duffy (Verkehr) und natürlich der obskure TV-Arzt Mehmet Oz (Medicaid und Medicare). Auch Chris Wright (Energie) soll Trump durch seine Auftritte bei Fox News überzeugt haben. Schließlich ist auch der Chef selbst ja ein ehemaliger Prime-Time-Fernsehstar. Wahrscheinlich hat es selten ein Kabinett mit so viel Showbiz-Erfahrung gegeben.
Daneben gibt es eine Clique, die man als die Maga-Hardliner bezeichnen könnte: dazu gehören Vizepräsident J. D. Vance, Pam Bondi (Justiz), Kristi Noem (Homeland Security), Linda McMahon (Bildung) und Donald Trump Jr., der zwar kein Minister ist, was ihn aber keineswegs davon abhält, wie einer aufzutreten.
Und nicht zuletzt ist da auch noch die große Gruppe der reuigen Sünder, also jene Leute, die entweder mal gegen Trump kandidiert oder ihn gar kritisiert haben oder früher bei den Demokraten waren. Dazu gehören Marco Rubio (Äußeres), Tulsi Gabbard (Geheimdienste), Robert F. Kennedy Jr. (Gesundheit), Elise Stefanik (UN-Botschafterin) und natürlich J. D. Vance. Offenbar sind es die Konvertierten, die Trump am liebsten mag. Vielleicht verspricht er sich von ihnen die größte psychologische Abhängigkeit.
Die „Grand Old Party“ zu Zeiten der Maga-Bewegung – kaum mehr da
Was man in diesem Kabinett praktisch vergeblich sucht, sind Spurenelemente der Republikanischen Partei im klassischen Sinne. Die Grand Old Party wurde von der relativ neuen Maga-Bewegung de facto geschluckt. Das Partei-Establishment, das sind jetzt vor allem Trumps Familie, Trumps persönliche Anwälte, Trumps liebste Vasallen und Elon Musk, der selbst ernannte „first buddy“, der dem gewählten Präsidenten seit dem 5. November nicht mehr von der Seite zu weichen scheint.
Wahrscheinlich gibt es kein Foto, das diese Entwicklung besser symbolisiert als jenes aus Trumps Privat-Jet, das der Sohn des Präsidenten dieser Tage gepostet hat. Darauf sieht man wie Elon Musk, Donald Trump, Donald Trump Jr. sowie der designierte Gesundheitsminister Kennedy („Make America Healthy Again“) gemeinsam am Tisch sitzen und McDonald’s-Menüs vertilgen.
Mike Johnson, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, ist auch auf dem Fotos zu sehen. Er steht allerdings etwas abseits hinter der Stuhllehne des Präsidentensohnes. Es sieht so aus, als hätte ihn jemand im letzten Moment in den Bildausschnitt geschoben. Johnson, der Mann, der hier die Partei und das Parlament repräsentiert, hat am Esstisch mit den wirklich wichtigen Leuten keinen Platz mehr bekommen.
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Merkur
Sabotage in der Ostsee: Dänemarks Marine umzingelt chinesischen Frachter
Foreign Policy • 1 Std. • 8 Minuten Lesezeit
Foreign Policy
Sabotage in der Ostsee: Dänemarks Marine umzingelt chinesischen Frachter
Der Ausfall von zwei Ostsee-Unterseekabel liegt womöglich an Sabotage. Dänemarks Marine umzingelt das Schiff aus China, doch die Reaktion ist unklar.
Ein Schiff unter der Flagge Chinas hat zwei Unterwasserkabel in der Ostsee durchtrennt. Es wird Sabotage vermutet.
Anders als bei einem vorherigen Vorfall will Dänemark das Schiff nicht entkommen lassen.
Die Reaktion auf den mutmaßlichen Sabotage-Fall ist unklar: Es gibt eine Lücke im Recht.
Kopenhagen – Am Sonntagmorgen, dem 17. November, fiel plötzlich ein Unterseekabel aus, das Schweden und Litauen miteinander verband. Weniger als 24 Stunden später war auch das einzige Kabel, das Finnland und Mitteleuropa verbindet, durchtrennt. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte am 19. November, dass es sich bei den Vorfällen „wahrscheinlich um Sabotage“ handele.
Tatsächlich war dies nicht der erste Fall von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee, wobei die bisherigen Beweise auf ein chinesisches Handelsschiff mit einem russischen Kapitän hindeuten. Doch während westliche Regierungen möglicherweise in der Lage sind, die Schuldigen zu identifizieren, ist es viel schwieriger, sich für die Taten zu rächen, als es scheint.
Sabotageverdacht in der Ostsee: Wichtige Unterseekabel gezielt beschädigt
„Das Kabel wurde am Sonntagmorgen gegen 10 Uhr durchtrennt. Die Systeme meldeten sofort, dass wir die Verbindung verloren hatten. Weitere Untersuchungen und Abklärungen ergaben, dass es beschädigt wurde“, sagte Andrius Semeskevicius, Chief Technology Officer bei Telia Lietuva (dem litauischen Zweig des schwedischen Telekommunikationsriesen Telia), am Montagabend im litauischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Sabotageverdacht: Ermittler nehmen chinesisches Schiff in Ostsee ins Visier
Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Beschädigung des Kommunikationskabels, das Litauen mit der strategisch wichtigen schwedischen Ostseeinsel Gotland verbindet, nicht auf natürliche Meeresbewegungen oder gar nachlässige Seeleute oder Fischer zurückzuführen war. Als Semeskevicius mit dem litauischen Fernsehen sprach, war bereits ein weiteres Unterseekabel in der Ostsee beschädigt worden.
Das zweite Kabel ist sogar noch wichtiger als das schwedisch-litauische. Das C-Lion1, das Finnland über die Südspitze der schwedischen Ostseeinsel Öland mit Deutschland verbindet, ist das einzige Kabel, das diese Verbindung herstellt. (C-Lion1 gehört dem finnischen Staatsunternehmen Cinia Oy.)
Lehren aus altem Vorfall mit China-Schiff: Dänemark will Schiff nicht entkommen lassen
An einer Stelle kreuzen sich die beiden Kabel. Und in den frühen Morgenstunden des 18. Novembers war jemand an der Kreuzung mit der offensichtlichen Absicht eingetroffen, Schaden anzurichten. „Hier können wir sehen, dass sich die Kabel auf einer Fläche von nur 10 Quadratmetern kreuzen – sie überschneiden sich“, sagte Semeskevicius dem litauischen Fernsehen. “Da beide beschädigt sind, ist klar, dass es sich nicht um das versehentliche Auswerfen eines der Schiffsanker handelte, sondern dass etwas Schwerwiegenderes vor sich gehen könnte.“
Er hat recht. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die beiden Kabel versehentlich durchtrennt wurden. Und vor fast genau einem Jahr wurden in einer einzigen Nacht zwei Unterseekabel in der Ostsee und eine Pipeline beschädigt. Ermittler aus Schweden, Finnland und Estland – in deren ausschließlichen Wirtschaftszonen der Schaden entstand – stellten bald fest, dass der wahrscheinliche Schuldige das chinesische Schiff Newnew Polar Bear war, das mit seinem Anker alle drei Kabel durchtrennt hatte. Das Containerschiff gehört einem chinesischen Eigentümer, fährt unter der Flagge von Hongkong und hatte bereits eine Pionierfahrt von Russland nach China entlang der arktischen Nordostpassage hinter sich.
Als die Ermittler jedoch beschlossen, mit der Besatzung zu sprechen, hatte das Schiff die Ostsee bereits verlassen und war auf dem Weg nach Norden an der norwegischen Küste entlang und weiter in die russische Arktis. Seitdem hat die chinesische Regierung nicht auf die Anfragen zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen reagiert.
Gezielte Sabotage in der Ostsee: Ermittler vermuten chinesisches Schiff
Auch dieses Mal scheint es sich bei dem Täter um ein chinesisches Handelsschiff zu handeln. Innerhalb weniger Stunden nach dem Vorfall mit der C-Lion1 hatten Ermittler und Hobbydetektive den wahrscheinlichen Täter identifiziert: den unter chinesischer Flagge fahrenden Massengutfrachter Yi Peng 3. Am 12. November war das Schiff im russischen Ostseehafen Ust-Luga angekommen; drei Tage später verließ es den Hafen. Zwei Tage später wurde das erste Kabel durchtrennt, dann das zweite.
Am Morgen des 19. Novembers verließ die Yi Peng 3 die Ostsee und nahm Kurs auf den Atlantik. Am Nachmittag näherte sie sich der dänischen Meerenge – doch dieses Mal ließen die Seestreitkräfte der Nato-Mitglieder ein verdächtiges chinesisches Schiff nicht entkommen. Als sie sich am frühen Abend der dänischen Meerenge Großer Belt näherte, war klar, dass sie von der Königlich Dänischen Marine, die auch Küstenwachaufgaben wahrnimmt, verfolgt wurde. Schiffe der schwedischen Marine und Küstenwache befanden sich ebenfalls in der Nähe, auf der schwedischen Seite.
Später am Abend schien die Yi Peng 3 dänische Gewässer zu verlassen und nach Norden in Richtung Schweden und Norwegen und weiter zum Atlantik zu fahren. Aber dann stoppte sie. Heute Mittag befand sich der Massengutfrachter immer noch an derselben Stelle, genau zwischen der dänischen und der schwedischen Küste im südlichen Teil der Kattegat-Straße.
Um zum Atlantik zu gelangen, muss das Schiff noch den Rest des Kattegats durchqueren. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ist noch unklar, warum es gestoppt wurde. Open-Source-Nachrichtendienstler berichten, dass dänische Beamte es festgesetzt haben, obwohl die dänischen Streitkräfte nur angegeben haben, dass sie in der Nähe des Schiffes präsent sind. Werden dänische und schwedische Ermittler (und deutsche, finnische und litauische) versuchen, das Schiff gewaltsam zu entern?
Rechtslücke bei Seerecht: Wie reagieren, wenn Schiffe Infrastruktur sabotieren?
Aber was würden westliche Marine- und Küstenwachenschiffe tun, wenn es ihnen gelänge, die Yi Peng 3 im Kattegat festzuhalten? Sie könnten versuchen, an Bord des Schiffes zu gehen, ja, aber was genau würden sie dann tun?
Gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, Unterwasseranlagen in ihren Gewässern zu schützen. Der Vertrag – auch bekannt als „Verfassung der Ozeane“ – enthält jedoch keine genauen Angaben dazu, was Küstenstaaten tun sollten, wenn aggressiv gesinnte rivalisierende Länder nichtmilitärische Schiffe einsetzen, um die Infrastruktur in ihren Gewässern zu sabotieren.
Tatsächlich haben die brillanten Köpfe, die die Konvention ausgehandelt haben, möglicherweise nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Unterzeichnerstaaten kriminelle Aktivitäten nutzen könnten, um geopolitische Punkte gegen andere Länder zu sammeln. Die Ermittler verfolgen ein Strafverfahren gegen die Besatzung der Yi Peng 3, aber es geht um viel mehr als um kriminelle Handlungen einer einzelnen Schiffsbesatzung. Die chinesische Regierung hat unterdessen bestritten, dass etwas nicht in Ordnung sei, und erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur NTB, dass chinesische Schiffe das Seerecht befolgen.
Ostsee-Dilemma: Russland und China nutzen Kriminelle für geopolitische Sabotage
Dies ist das Dilemma für die Ostseeanrainerstaaten (ungeachtet der dortigen Dominanz der Nato) und andere westliche Nationen: Russland, China und andere Länder können private Unternehmen, Kriminelle und verschiedene andere Kollaborateure einsetzen, um ihnen zu schaden, und es ist möglicherweise nie möglich, eine Verbindung zwischen den Tätern und den Regierungen herzustellen, in deren Auftrag schädliche Handlungen begangen wurden.
Selbst wenn die dänische Marine das Schiff an Bord nimmt, werden wir wahrscheinlich nie erfahren, welche Gespräche der Eigner der Yi Peng 3 oder ihr Kapitän mit den Regierungen Russlands oder Chinas geführt haben. Wir werden auch nie erfahren, welche Gespräche stattgefunden haben, bevor ein chinesisches Frachtschiff und ein chinesisches Fischerboot im Februar letzten Jahres die beiden Unterseekabel, die die Matsu-Inseln Taiwans mit dem eigentlichen Taiwan verbinden, durchtrennten.
Wir wissen nur, dass die beiden Schiffe die Kabel durchtrennt haben, obwohl sie auf Navigationskarten leicht zu finden sind und daher leicht zu vermeiden gewesen wären, und so die Bewohner der Matsu-Inseln vom Rest der Welt abgeschnitten haben. (Und nein, ein chinesisches Handelsschiff würde ohne Erlaubnis aus Peking keine Unterwasserinfrastruktur im Auftrag einer Regierung sabotieren.)
Yi Peng 3: Verdacht auf Sabotage in der Ostsee – Hybride Aggression oder Unfall?
Was die Yi Peng 3 betrifft, so wissen wir nur, dass sie Ust-Luga in Richtung des ägyptischen Hafens Port Said verlassen und wahrscheinlich zwei wichtige Kabel so stark beschädigt hat, dass sie nicht mehr funktionierten. Die Schiffsbesatzung hat dies getan, obwohl die Lage der Kabel genau kartiert ist und obwohl man von einer normalen Handelsbesatzung angesichts der Schäden, die die Newnew Polar Bear im vergangenen Jahr verursacht hat, besondere Vorsicht hätte erwarten können, wenn es sich bei diesen Schäden tatsächlich um einen Unfall handelte.
Wir wissen auch, dass die russischen Hafenunterlagen zeigen, dass die Yi Peng 3 von einem Russen gefahren wurde. Da Russland zu den fünf größten Quellen für Seeleute, insbesondere Offiziere, gehört, ist ein russischer Kapitän nicht ungewöhnlich. Aber einen russischen Kapitän zu haben, statt beispielsweise einen Inder oder Rumänen, macht Sabotage in der Ostsee sicherlich ein bisschen einfacher.
Nach dem Sabotageverdacht segelte die Yi Peng 3 in Richtung Atlantik, obwohl die Nato-Schiffe sie verfolgten.
„Das ist ein ganz klares Zeichen dafür, dass etwas im Busch ist. Niemand glaubt, dass diese Kabel versehentlich durchtrennt wurden, und ich werde auch nicht an die Theorie glauben, dass es Anker waren, die versehentlich über diese Kabel gezogen wurden“, sagte der deutsche Verteidigungsminister Pistorius am 19. November und fügte hinzu: „Wir müssen davon ausgehen, ohne genau zu wissen, von wem es stammt, dass es sich um einen Akt hybrider Aggression handelt, und wir müssen davon ausgehen, dass es sich um einen Fall von Sabotage handelt.“
Etwa zur gleichen Zeit äußerten sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs, Italiens, Spaniens und Polens ähnlich: „Moskaus eskalierende hybride Aktivitäten gegen Nato- und EU-Länder sind auch in ihrer Vielfalt und ihrem Ausmaß beispiellos und stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar“, sagten sie in einer Erklärung.
Sabotage der Ostsee-Infrastruktur: Nato steht vor schwerer Entscheidung
Pistorius hat recht. Angesichts der Beweislage ist es vernünftig, zu dem Schluss zu kommen, dass es sich bei den Vorfällen um einen Sabotageakt handelt. Das wirft die Frage auf, was man dagegen tun kann. Nachdem die Newnew Polar Bear die Kabel und die Pipeline beschädigt hatte, überwachte die Nato auf ähnliche Weise ihre Fahrt aus der Ostsee, entlang der norwegischen Küste und in arktische Gewässer. Was hätten die beteiligten Militärs getan, wenn sie angehalten und ihnen erlaubt hätten, an Bord zu gehen?
Wenn sie es nicht geschafft hätten, an Bord der Newnew Polar Bear zu kommen, hätte die Öffentlichkeit in westlichen Ländern die Nato als feige beschimpft. Aber wenn sie an Bord gekommen wären, hätten China und Russland Vergeltung geübt, obwohl sie behaupten, keine Verbindung zu dem Frachtschiff zu haben. Vor dem gleichen akuten Dilemma stehen nun die dänischen Behörden, die die Yi Peng 3 beobachten.
Vorerst werden die Nato und ihre Mitgliedstaaten weiterhin Bedrohungen der Unterwasserinfrastruktur überwachen. Heutzutage verfügt das Militärbündnis sogar über ein Critical Undersea Infrastructure Network. Auch die Eigentümer und Betreiber von Kabeln, Pipelines und anderer seegestützter Infrastruktur beobachten die Lage mit großer Sorge.
Doch wenn das nächste Mal Saboteure auftauchen – und das werden sie –, werden die Marinen der Nato vor der gleichen schmerzhaften Frage stehen. Die unzähligen Pipelines und insbesondere die Kommunikationskabel sind Produkte unseres harmonischen globalisierten Zeitalters. Jetzt sind sie die neue Frontlinie.
Zur Autorin
Elisabeth Braw ist Kolumnistin bei Foreign Policy, Senior Fellow beim Atlantic Council und Autorin von „Goodbye Globalization“. X: @elisabethbraw
Wir testen zurzeit maschinelle Übersetzungen. Dieser Artikel wurde aus dem Englischen automatisiert ins Deutsche übersetzt.
Dieser Artikel war zuerst am 20. November 2024 in englischer Sprache im Magazin „ForeignPolicy.com“ erschienen – im Zuge einer Kooperation steht er nun in Übersetzung auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.
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t-online (Deutsch)
"Heißer Draht": Wie Moskau und Washington direkt miteinander kommunizieren
Julian Seiferth • 10 Std. • 4 Minuten Lesezeit
"Heißer Draht" zwischen Moskau und Washington
So warnte Russland die USA vor ihrer neuen Rakete
ussland hat am Donnerstag die Ukraine beschossen – vermutlich mit einer neuen experimentellen Mittelstreckenrakete namens Oreschnik. Das Geschoss ist prinzipiell in der Lage, Nuklearsprengköpfe zu transportieren, was in diesem Fall allerdings nicht passiert ist. Über den Angriff und besonders darüber, dass es sich nicht um eine Nuklearwaffe handelt, haben die Russen die USA bereits vorab informiert, erklärte eine US-Sprecherin.
Dazu nutzten Moskau und Washington "Kanäle zur Verringerung nuklearer Risiken", also Kommunikationskanäle, die das Risiko möglicherweise nuklearer Eskalationen auch im Falle schwerer Konflikte so gering wie möglich halten sollen. Diese Verbindung blickt auf eine lange Vorgeschichte zurück: Ihre Ursprünge liegen in der Zeit des Kalten Krieges.
Die Kuba-Krise und der "Heiße Draht"
Die USA und die Sowjetunion richteten den sogenannten "Heißen Draht" am 30. August 1963 ein – kurz nach Beendigung der Kuba-Krise, in der die Sowjets Mittelstreckenraketen auf Kuba und damit in geopolitischer Nähe der USA stationiert hatten.
In dieser Zeit warteten die Präsidenten Kennedy und Chruschtschow wegen Verbindungsproblemen teils stundenlang auf Antworten voneinander – Zeit, die beide in der sich zuspitzenden Krise eigentlich nicht hatten.
Unter dem starken Eindruck der Kuba-Krise hatten USA und Sowjetunion nun ein gemeinsames Ziel: einen Atomkrieg zu verhindern, der womöglich durch schlechte oder völlig fehlende Kommunikation ausgelöst werden könnte.
Das gelang: Trotz höchster diplomatischer Spannungen und gegenseitiger Aufrüstung schwappte der Kalte Krieg zwischen den Sowjets und den USA nie in einen heißen oder gar einen Atomkrieg über.
Das "Rote Telefon" und der Fernschreiber
Symbolisch dafür steht das "Rote Telefon", das die Amerikaner buchstäblich "Hot Line" nannten. Genutzt wurde es für Gespräche zwischen Moskau und Washington wohl so gut wie nie. Um Missverständnisse zu vermeiden, setzte man stattdessen auf schriftliche Kommunikation, also Fernschreiber. Die Leitungen liefen von Moskau durch Nordeuropa – genauer gesagt: Helsinki, Stockholm, Kopenhagen und London – bis nach Washington.
Verschlüsselt wurden die Nachrichten mit einem sogenannten One-Time-Pad-Verfahren, bei dem ein Verschlüsselungscode genutzt wird, der mindestens so lang ist wie die Nachricht selbst. Es gilt bei korrekter Anwendung als nicht zu knacken. Sowjets wie Amerikaner hätten maximalen Wert auf Sicherheit gelegt, erklärte der Historiker Bernd Greiner der Deutschen Welle im vergangenen Jahr.
Die erste Nachricht von Washington nach Moskau im Jahr 1963 lautete übrigens: "The quick brown fox jumps over the lazy dog 0123456789". Warum genau dieser Satz? Alle Buchstaben und Ziffern eines englischen Fernschreibers sind in dieser Nachricht enthalten – so konnten die Maschinen auf Fehler überprüft werden.
Benutzt wurde der Kommunikationskanal danach offiziell nur sporadisch, unter anderem 1967 während des Sechstagekriegs im Nahen Osten zwischen Israel und den arabischen Nachbarn Jordanien, Syrien und Ägypten. Was genau in diesen Telefonaten besprochen wird, ist meist nicht öffentlich.
Der "Heiße Draht" heute
Heutzutage ist der "Heiße Draht" nicht mehr ein Fernschreiber oder ein Festnetztelefon, sondern besteht aus einer ganzen Reihe abhörsicherer Kommunikationskanäle auf verschiedensten Ebenen. Dass auch Präsidenten ihn nutzen, um direkt miteinander zu sprechen, ist allerdings verbrieft: 2014 beispielsweise rief Wladimir Putin Washington an und erreichte Barack Obama – in Riad.
Der US-Präsident befand sich zu diesem Zeitpunkt auf Staatsbesuch in Saudi-Arabien, war aber über den "Heißen Draht" telefonisch erreichbar. Putin und Obama vereinbarten damals nach US-Angaben ein Treffen der beiden Außenminister Kerry und Lawrow. Außerdem forderte Obama Putin bei dem Gespräch 2014 auf, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen und von der Krim abzulassen. Auch Biden und Putin telefonierten seit Bidens Amtsübernahme über diese Direktverbindung miteinander.
China, Nato, USA, Russland: weitere "Heiße Drähte"
Auch seitdem soll die Verbindung immer wieder genutzt worden sein. Nicht nur Moskau und Washington, sondern der Nato-Oberbefehlshaber für Europa sowie der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses sind inzwischen angeschlossen.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine gibt es auch eine Kommunikationslinie zwischen dem Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte und Moskau. In seiner ursprünglichen Rolle als Frühwarnsystem zwischen Washington und Moskau wurde der "Heiße Draht" nun wohl am Donnerstag wieder eingesetzt.
Amerika pflegt indes nicht nur eine Direktverbindung nach Moskau: Im Jahr 2007 verständigten sich die Verteidigungsministerien der USA und China auf ihre Version des "Heißen Drahtes". Der damalige Verteidigungsminister Robert Gates besuchte damals sogar seinen Kollegen Liang Guanglie in Peking. US-Experten besprachen vor Ort technische Details mit den Chinesen. Eine ähnliche Direktverbindung nach Peking besteht ebenfalls seit 2008 – nämlich die aus Moskau.