Monday, November 25, 2024
Energiepreise halbieren? Großes Risiko für Öl- und Gasindustrie – Experten zweifeln an Trumps Plänen
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Energiepreise halbieren? Großes Risiko für Öl- und Gasindustrie – Experten zweifeln an Trumps Plänen
Fabian Hartmann • 23 Std. • 4 Minuten Lesezeit
Trumps Energiepolitik erteilt nicht nur der Biden-Regierung eine Absage, sondern auch dem Klimawandel. Er will fossile Energien fördern und ihre Preise halbieren. Fachleute haben Bedenken.
Washington, D.C. – Es ist ein eindeutiger energiepolitischer Kurs, den der designierte US-Präsident Donald Trump in den Wochen und Monaten des Wahlkampfs einschlug: Umweltpolitische Vorgaben aufweichen oder ganz abschaffen und den Abbau fossiler Energien fördern. „Drill baby, drill“ („Bohr baby, bohr“) erklärte Trump auf dem Parteitag der Republikaner im Juli und schrieb sich jenen energiepolitischen Slogan auch im Wahlkampf auf die Fahnen. Bei zahlreichen Auftritten im US-Wahlkampf versprach Trump in der Folge, die Energiekosten innerhalb der ersten 18 Monate seiner auf vier Jahren angesetzten Amtszeit halbieren zu wollen. Während Umweltschützerinnen und -schützer massive Folgen befürchten, halten Expertinnen und Experten der Erdgas und Ölindustrie sein energiepolitisches Wahlversprechen nur für bedingt realistisch.
Ja zu fossilen Energiequellen, nein zum Klimawandel – Trump könnt Fracking-Unternehmer Wright zum Energieminister berufen
Aktuell erarbeite Trumps Übergangsteam eine konkrete Strategie, die Vorhaben des Republikaners in der Energiepolitik umzusetzen, berichtete die New York Times (NYT) unlängst. Dabei beruft sich das US-Medium auf drei mit dem Thema vertraute Personen, die wegen ihrer Rolle bei internen Gespräche anonym bleiben wollten. Weniger als zwei Monate vor der Übergabe des US-Präsidentenamts Joe Bidens zugunsten Trumps im Januar benennt der Republikaner nach und nach, wen er sich als Minister für seine zweite Amtszeit wünscht.
Vergangenen Samstag (17. November) war etwa bekannt geworden, dass Trump den Konzernchef des Fracking-Unternehmens Liberty Energy, Christ Wright, als Energieminister ernennen könnte. „Als Energieminister wird Chris eine wichtige Führungsrolle übernehmen, Innovationen vorantreiben, Bürokratie abbauen und ein neues Goldenes Zeitalter des amerikanischen Wohlstands und des Weltfriedens einläuten“, sagte Trump in einem Statement, das ZDF Heute vorlag. Wright gilt als Skeptiker des Klimawandels und könnte dem Republikaner dabei helfen, seine energiepolitischen Vorhaben mit der Förderung fossiler Energieträger in die Tat umzusetzen.
Mit ihm schließt Trump nahtlos an die Energie-Agenda seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 an, in der er versprach, die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen und unabhängig von Energieimporten zu werden. Damals wandte er sich gegen den Kurs der Obama-Regierung, die Energien aus möglichst vielen verschiedenen Erzeugungsquellen bezog und eine nachhaltigere Versorgung anstrebte. Nun kommt seine Drill-Baby-Drill-Strategie einer Absage an die zuvor von der Biden-Regierung initiierte Klimapolitik gleich, die sich an der Klimakrise orientierte. Würde Trumps neuer Energieminister Wright heißen, würde energie- wie auch klimapolitisch eine dramatische Veränderung im Vergleich zur derzeitigen Ministerin Jennifer Granholm spiegeln: Granholm setzt sich für die Förderung von Elektrofahrzeugen und erneuerbare Energien wie Wind-, Solar- und Erdwärmeenergien ein.
Experten halten Trumps Wahlversprechen, Energiepreise um 50 Prozent zu senken, für „höchst unwahrscheinlich“
Schon direkt, nachdem Trumps Wahlsieg über Kamala Harris und die Demokraten bei der US-Wahl festgestanden hatte, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am 7. November davon, dass Energieexpertinnen und -experten einen Abwärtsruck beim Ölpreis während Trumps zweiter Amtszeit für möglich halten. Als Grund hierfür nannten sie etwa, dass durch die Schaffung neuer Fracking-Anlagen und dem Aussetzen bis hierhin existierender Regulation zugunsten der Reduktion von Emissionen schlicht mehr Öl produziert wird als bislang. Andererseits halten sie es unter Trumps Einfluss auf die OPEC+ für möglich, dass die Erdölproduzenten Produktionskürzungen zurückfahren und sich die geopolitischen Spannungen verringern.
Expertinnen und Experten der US-Öl- und Gasindustrie halten Trumps Wahlversprechen, die Energiepreise wie etwa die für Gas innerhalb von anderthalb Jahren um die Hälfte zu reduzieren, jedoch für nur wenig stichhaltig. Zwar sind sie der Ansicht, dass Trump die Preise für Öl und Gas zwar senken kann, indem er die Produktion ankurbelt und Umweltvorschriften aussetzt, jedoch dürfte dies nicht für eine Senkung der Preise nach den Vorstellungen und Versprechen des Republikaners sorgen. Grund dafür sind den Branchenexpertinnen und -experten zufolge auch die Kosten, die durch neue Bohrprojekte und den Bau von Pipelines entstehen dürften.
„Es ist nicht völlig unmöglich, aber höchst unwahrscheinlich“, sagte Edmund Crooks, stellvertretender Vorsitzender für Nord- und Südamerika bei Woods Mackenzie, einem Energieberatungsunternehmen laut New York Times. Ihm zufolge seien die globalen Bedingungen der bedeutendste Faktor dafür, wie sich Öl- und Gaspreise zusammensetzen. „Ist es möglich, dass die US-Produktion so stark ansteigt, dass sich die Preise dauerhaft halbieren? Nein. Das ist höchst unwahrscheinlich“, führte er aus.
Fachleute wenden ein, ein zu niedriger Ölpreis könnte auch für Produzenten unrentabel sein
Trumps Vorhaben, die Energiepreise zu halbieren, steht dabei auch dem Kurs von US-Energieunternehmen entgegen: Sie konzentrierten sich in den letzten Jahren vor allem darauf, die Ressourcen nachhaltig zu verwalten und dafür zu sorgen, dass sie rentabel sind und nicht zwanghaft mehr Öl zu fördern. Schließlich birgt ein äußerst niedriger Ölpreis auch für Unternehmen der Ölindustrie das Risiko, unrentabel zu werden. Sinke der Ölpreis um die Hälfte, „würde man bei diesem Preis die Produktion einstellen“, sagte Jason Bordoff, Gründungsdirektor des Center on Global Energy Policy an der Columbia University‘s School of International and Public Affairs.
Ökonominnen und Ökonomen sagten, der Mindestpreis, zu dem Ölunternehmen bohren können, ohne einen Verlust zu machen, liege bei 45 bis 50 Dollar pro Barrel. Derzeit liegt der Preis für ein Barrel Öl bei etwa 70 Dollar. Bei den Strompreisen, die je nach Standort variieren, sind etwa 40 Prozent Verteilungs- und Übertragungskosten, die nicht von der Politik abhängen, sagte Chris Seiple, stellvertretender Vorsitzender der Gruppe Power & Renewables von Wood Mackenzie. Zwar könne günstigeres Gas die Stromrechnungen senken, aber nicht um die Hälfte.
Klimaaktivisten sorgen sich unterdessen um Trumps energiepolitischen Kurs und die Ernennung Fracking-Unternehmer Wright zum Klimaminister. Der emeritierte, auf Umweltrecht spezialisierte, Rechtswissenschaftler Pat Parenteau mahnte gegenüber dem US-Medium Inside Climate News vor Wrights Haltung, den Klimawandel zu leugnen und der Energiewende eine Absage zu erteilen. „Er leugnet, was der Markt zeigt, nämlich dass Solar- und Windenergie, insbesondere die Solarenergie, die billigsten Formen der Stromerzeugung in der Welt sind“, fügte Parenteau hinzu. (fh)