Tuesday, July 16, 2024
Kanzlerkandidatur: Die CSU hadert mit Friedrich Merz
Handelsblatt
Kanzlerkandidatur: Die CSU hadert mit Friedrich Merz
Delhaes, Daniel • 21 Std. • 3 Minuten Lesezeit
CDU-Chef Friedrich Merz (l.) und CSU-Chef Markus Söder: Gemeinsam wollen sie den Erfolg. Wer wird wem den Vortritt lassen?
Wo werden CSU-Chef Markus Söder und der CDU-Vorsitzende klären, wer die Union als Kanzlerkandidat ins Rennen führen wird? Ein Besuch am Tegernsee sorgt für Spekulationen.
Friedrich Merz ist gern und oft in Bayern. 50 Kilometer südlich von München, am Tegernsee, erholt sich der CDU-Chef seit vielen Jahren regelmäßig im Familiendomizil. Hier, am Fuß der Voralpen, klopft das „Paradies“ an, wie CSU-Chef Markus Söder seinen Freistaat gern beschreibt: Kühles Bergwasser rauscht hinab in den See, Fachwerk hält die Zeit an, Bäcker und Metzger leben deutsche Handwerkskunst. Der Sauerländer Merz hat in dieser Kulisse schon runden Geburtstag gefeiert, seine Freunde ins Haus am Tegernsee geladen.
Söder war noch nie dort. Dabei stellt sich die Frage: Wäre das nicht der perfekte Ort für die Parteivorsitzenden, um über den besten Weg zurück an die Macht im Bund zu reden? Hernach einmütig zu verkünden, wer die Union als Kanzlerkandidat anführen soll: der Bayer oder der Wahl-Bayer?
Die CSU will vom K-Thema auf Nachfrage nichts wissen, provoziert aber selbst Spekulationen. Denn pünktlich zur parlamentarischen Sommerpause hat Söders Generalsekretär Martin Huber Medienvertreter an den sechs Kilometer langen und zwei Kilometer breiten See eingeladen, nur wenige Tage bevor Merz und Söder am Sonntag um die Gunst der Wähler buhlten. Zur Klärung der Kanzlerfrage trug der Termin wenig bei – allerdings bot er Anlass zur Spekulation.
Einigung wie einst in Wolfratshausen?
Seit Monaten machen Merz und Söder ein Geheimnis darum, wie und wo sie die K-Frage klären. Fest steht: Die beiden wollen nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, also nach dem 22. September, entscheiden – allein, nicht in einem Gremium oder mit den Landesfürsten ihrer Parteien. Ob es vielleicht so laufen wird wie 2002? Damals trafen sich Angela Merkel und Edmund Stoiber in dessen Heimat Wolfratshausen zum Frühstück, nicht weit entfernt vom Tegernsee. Merkel überließ Stoiber die Kandidatur.
Im Sommerinterview - „Quatschanalyse!“ ZDF will Söders Wähler-Strategie entlarven - der kontert trocken
Der CSU sagt offiziell, ihr sei weder der Ort noch die genaue Adresse vom Ferienhaus des CDU-Chefs bekannt. In Gmund am Ostufer des Tegernsees gibt es aber einen Hinweis. An einer Hauswand hängt dort ein nachgemachtes Ortsausgangsschild, auf dem „Bürgergeld“ rot durchgestrichen ist und darunter „Arbeit“ den Weg voranweist. Merz könnte kaum ein besseres Plakat für den Bundestagswahlkampf ersinnen.
Dass Merz in Gmund residiert, hatte der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde, von der CSU, schon 2018 verraten. Merz trat an als Kandidat für den CDU-Parteivorsitz. Würde Merz auch Kanzler, jubilierte der Lokalpolitiker: „Dann wäre Gmund die einzige Gemeinde in Deutschland, die zwei Bundeskanzler als Mitbürger in ihren Geschichtsbüchern stehen hätte.“ Ludwig Erhard haben sie in Gmund schon ein Denkmal gesetzt und einen Platz nach ihm benannt.
Tatsächlich führt Merz die CDU – nach drei Anläufen. Ein beschwerlicher Aufstieg wie hoch zum Wallberg, am anderen Ende des Tegernsees. Steil geht es 1600 Meter hinauf, mit mehr oder weniger festem Untergrund. Doch oben angekommen blüht die Alpenwiese bunt, grasen Kühe gemütlich, erstreckt sich der Blick an klaren Tagen über den See bis nach München. Dort, wo Markus Söder waltet.
Ein Wimmelbild mit ganz vielen Söders
Natürlich sei CDU-Chef Merz „der Favorit“, signalisiert der Ministerpräsident mit Blick auf die Kanzlerkandidatur. Er selbst sehe seinen Platz in Bayern. Hier ist er omnipräsent wie auf dem großen Wimmelbild in der Vorstandsetage der CSU-Landesleitung. Es zeigt Bayern und darin viele Söders: auf dem Fahrrad, bejubelt auf Marktplätzen, beim Bratwurstessen, im Heißluftballon alles überblickend. „Bayern – unser Land in guter Hand“, steht darüber.
Und doch: Es kann für den CSU-Chef Umstände geben, bei denen „es sein müsste und man gezwungen wird“, das Paradies zu verlassen. So ein Umstand sei, „dass Friedrich Merz mich bittet“, sagte Söder kürzlich. Womöglich am Tegernsee?
Merz hat sich vergangene Woche eine Auszeit gegönnt – in Frankreich, wie es hieß. Wäre er am Tegernsee gewesen, er hätte in der Lokalzeitung lesen können, dass sich seine Beliebtheitswerte leicht verbessern, während die Ampel in Berlin weiter streitet.
In den Umfragen aber liegt die Union weiter nur bei 30 Prozent und Söder vor Merz. Dem CSU-Chef dürfte dieser Umstand dabei helfen, den Preis für einen Verzicht seinerseits weiter hochzutreiben: mehr Sozialpolitik fürs Wahlprogramm, keine Reform der Schuldenbremse.
Dabei weiß Söder, dass er nach der Wahl dem Druck der anderen CDU-Ministerpräsidenten nachgeben muss. Sie alle wollen mehr Schulden machen dürfen, um investieren zu können. Söder aber könnte die Bedingungen festlegen, eine Reform des Länderfinanzausgleichs etwa, damit Bayern nicht auch noch die Schulden anderer Länder mit bezahlen muss.
Als bayerischer Ministerpräsident wäre er mächtiger als jeder Superminister in einem Kabinett Merz. Söder wäre eine Art Vizekanzler – mit Dienstsitz Bayern.