Sunday, July 21, 2024
Joe Biden gibt auf: Versinken die USA jetzt im Chaos?
Berliner Zeitung
Joe Biden gibt auf: Versinken die USA jetzt im Chaos?
Michael Maier • 1 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Unmittelbar nach Joe Bidens Ankündigung, aus dem Rennen für die US-Präsidentschaftswahl auszusteigen und den Stab an seine Vizepräsidentin Kamala Harris weiterzureichen, meldeten sich wichtige Gruppen, die Harris unterstützen: Bill und Hillary Clinton, Barack Obama, die Linksaußen-Politikerin Ilhan Omar und andere Granden der US-Demokraten. Noch wichtiger: Laut NBC erklärten mehrere Sponsoren, sie wollten nun Harris unterstützen. Laut dem Wall Street Journal haben auch die „demokratischen Megaspender“ George und Alex Soros dazu aufgerufen, die Demokraten mögen sich hinter Harris vereinen. Das ist bemerkenswert, weil dieselben Geldgeber noch bis vor wenigen Tagen angegeben hatten, Harris nicht für eine geeignete Kandidatin zu halten. Das hatte Alexandria Ocasio-Cortez auf X bekanntgegeben.
Allerdings haben die Granden und die Geldgeber ein grundsätzliches Problem: Sie müssen, wie Kamala Harris selbst, die Delegierten des Nominierungsparteitags überzeugen, für Harris zu stimmen. Joe Biden hatte die Vorwahlen souverän gewonnen, Harris war abgeschlagen zu einem frühen Zeitpunkt aus dem Bewerb geflogen. Nun droht beim Parteitag basisdemokratisches Chaos, was weder die Partei-Granden noch die Financiers wollen. Hinzu kommt, dass Donald Trump neben Elon Musk und Peter Thiel nun auch seine Fühler nach Larry Fink von Blackrock und Jamie Dimon von JPMorgan ausgestreckt hat. Beiden soll er Ministerposten in Aussicht gestellt haben, um die Wall Street für seine Kampagne zu gewinnen. Es geht für die Demokraten also darum, die Spender bei der Stange zu halten.
Kamala Harris begann laut ABC bereits am Sonntag mit ersten Gesprächen, um sich die Unterstützung wichtiger Demokraten zu sichern. Sie wird damit in den kommenden Wochen voll ausgelastet sein und muss sich danach voll in den Wahlkampf stürzen. Genau deshalb forderten die Republikaner am Sonntagabend, Biden müsse sofort zurücktreten. Sprecher Mike Johnson (R-Louisiana) sagte in einer Erklärung laut Fox News: „Wenn Joe Biden nicht geeignet ist, als Präsident zu kandidieren, ist er nicht geeignet, als Präsident zu dienen. Er muss sofort von seinem Amt zurücktreten. Der 5. November kann nicht früh genug kommen.“ Wenn die Demokraten Joe Biden für ungeeignet halten, für eine Wiederwahl zu kandidieren, „ist er sicherlich nicht geeignet, die Codes unserer Atomwaffen zu kontrollieren“, sagte der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Tom Emmer (R-Minnesota), wenige Minuten, nachdem die Nachricht vom Rückzug Bidens bekannt wurde. „Biden muss sofort von seinem Amt zurücktreten.“
Die Vorsitzende der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, Elise Stefanik (R-N.Y.), sagte: „Wenn Joe Biden nicht zur Wiederwahl antreten kann, ist er nicht in der Lage und ungeeignet, als Präsident der Vereinigten Staaten zu dienen. Er muss sofort zurücktreten. Die Demokratische Partei befindet sich aufgrund ihres offensichtlich korrupten und verzweifelten Versuchs, die Tatsache zu vertuschen, dass Joe Biden für das Amt ungeeignet ist, im absoluten freien Fall.“
Die Republikaner wissen, dass Kamala Harris Donald Trump gefährlicher werden kann als der greise Joe Biden. Auch wenn Harris bisher keine sonderlich gute Figur gemacht hat, so wird ihr doch zugetraut, dass sie Trump herausfordern kann. Die New York Times schreibt, dass Harris bisher unterschätzt wurde. Die Financial Times schreibt, dass Harris als ehemalige Strafverfolgerin eine unangenehme Gegnerin für Trump werden kann - vor allem bei einem vielleicht entscheidenden TV-Duell.
Die Hoffnung beider Parteien, der unabhängige Kandidat Robert F. Kennedy jr. könnte sich auf ihre Seite schlagen und damit den Ausgang entscheidend in die eine oder andere Richtung beeinflussten, hat sich am Sonntag zerschlagen: RFK teilte auf einer Pressekonferenz mit, er halte an seiner Kandidatur fest, weil beide Parteien die Interessen von Unternehmen wichtiger nähmen als die Anliegen der amerikanischen Bürger. Er sehe sich als jenen Kandidaten, der am ehesten Donald Trump schlagen könne. Allerdings schloss RFK nicht aus, mit den Demokraten Gespräche zu führen, wenn sie auf ihn zugingen.
Sollte Biden sofort zurücktreten – was aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands auch jenseits der parteitaktischen Erwägungen denkbar, wäre Harris als Präsidentin kaum in der Lage, sich voll auf den Wahlkampf zu konzentrieren. Allerdings könnte sie eine kurze Amtszeit als Präsidentin nutzen, um sich zu profilieren. Diese Entwicklung können die Republikaner nicht wünschen. Ob die Demokraten jedoch den Mut haben, so hoch zu pokern, ist angesichts der Zerrissenheit der Partei fraglich. In jedem Fall dürften die kommenden Monate einige chaotische Momente bringen – was wiederum die bürokratischen Kräfte und die Regierungsbehörden dazu veranlassen dürfte, die Zügel der Macht noch stärker in der Hand zu halten als bisher.