Wednesday, November 9, 2022

Midterms: Erfolge für die Demokraten, republikanische Welle bleibt aus – So läuft die US-Wahlnacht

Handelsblatt Midterms: Erfolge für die Demokraten, republikanische Welle bleibt aus – So läuft die US-Wahlnacht Meiritz, Annett - Vor 4 Std. Florida wird zur roten Hochburg, aber die Demokraten verteidigen andere wichtige Bundesstaaten. Noch ist vieles offen – doch einige Trends sind absehbar. Bei den Midterms werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und rund ein Drittel der 100 Sitze im Senat gewählt. Wer wissen will, in welche Richtung die USA politisch steuern, braucht einen langen Atem. Immerhin erstrecken sich die USA über sechs Zeitzonen – und während in den östlichen Bundesstaaten zum Teil schon Ergebnisse feststehen, sind im Westen die Wahllokale noch offen.Die sogenannten Midterms sind die wichtigsten Abstimmungen zwischen zwei Präsidentschaftswahlen, und sie sind ein Stimmungstest für US-Präsident Joe Biden. Tausende wichtige Positionen in den Bundesstaaten werden besetzt sowie Mandate im Senat und Repräsentantenhaus, den beiden Kammern des US-Kongresses. Bislang halten die Demokraten dort knappe Mehrheiten. Vieles kann sich noch drehen – doch einige Trends lassen sich schon aus den ersten Stunden ablesen. Die Wahlnacht im Überblick.1. Die Republikaner holen einen frühen Sieg – doch die Demokraten schlagen sich nicht schlechtDer erste „Wow-Moment“ des Wahlabends war der sehr klare republikanische Sieg in Florida, der 22-Millionen-Einwohner-Gigant an der Ostküste. Der Bundesstaat galt lange als Swing-Staat, der politisch mal in die eine, mal in die andere Richtung pendelt. Doch jetzt wird er endgültig zur roten, republikanischen Hochburg. Zum einen verteidigte der republikanische Senator Marco Rubio seinen Senatssitz.Vor allem aber kann der amtierende republikanische Gouverneur Ron DeSantis einen regelrechten Triumph feiern, er gewann seine Wiederwahl mit zweistelligem Vorsprung. DeSantis gilt als aussichtsreicher Bewerber für die Präsidentschaftswahlen 2024 – und Konkurrent von Donald Trump, der nach den Midterms seine erneute Kandidatur für das Weiße Haus verkünden will.Ein strategisch spannender Staat, Pennsylvania, bleibt in der Hand der Demokraten. Bei den Gouverneurswahlen setze sich Josh Shapiro durch, John Fetterman gewann den umkämpften Senatssitz. Sein Erfolg gegen den TV-Arzt Mehmet Oz – auch als Dr. Oz bekannt – ist ein Hinweis darauf, dass die Demokraten ihre Verluste beschränken könnten. In New Hampshire gewinnen die Demokraten ebenfalls die Senatswahlen. Dafür holt der republikanische Kandidat J.D. Vance, Bestsellerautor von „Hillbilly Elegy“, den Senatssitz für Ohio. Wichtig werden die Senatsrennen in Arizona, Georgia, Wisconsin, Nevada und North Carolina. In fast allen dieser Staaten werden die republikanischen Kandidaten massiv von Ex-Präsident Trump unterstützt. Wie sie abschneiden, entscheidet nicht nur über die Mehrheit im mächtigen US-Senat, sondern gilt auch als Signal dafür, ob Trumps Unterstützung noch „zieht“.Komplett offen sind auch die Mehrheiten im Repräsentantenhaus. Zumindest an der Ostküste „überperformen“ die Demokraten mancherorts, zwei wackelige Wahlkreise im Bundesstaat Virginia und einen in Rhode Island konnte Bidens Partei bereits verteidigen – der Präsident telefonierte schon mit den Kongresskandidaten, um ihnen zu gratulieren.Trotzdem dürften die Republikaner die Kammer erobern, wenn auch mit geringerem Vorsprung als erwartet. Verkompliziert werden die Midterms dadurch, dass die Auszählungen Tage oder gar Wochen dauern könnten. Der Bundesstaat Georgia zum Beispiel könnte in die Stichwahl gehen – am 6. Dezember. 2. Wahlpannen überschatten die Abstimmung Die Stimmung in den USA ist angespannt, eine radikalisierte republikanische Partei will Joe Bidens Demokraten abstrafen. „Blutbad!!!!“ twitterte Donald Trumps Sohn Don Jr., kurz nachdem Florida an die Republikaner ging. Was potenzielle Aggressionen anheizte, waren vereinzelte Pannen. Einige Wahllokale machten verspätet auf, es wurde Papiermangel gemeldet.In Zeiten blühender Verschwörungstheorien aber wird aus technischen Fehlern vorsätzlicher Wahlbetrug – wie man anhand des westlichen Bundesstaats Arizona verfolgen kann. Im diversen und bevölkerungsreichen Wahlkreis Maricopa County war am Dienstag jede vierte Stimmzettelmaschine von Störungen betroffen – die Drucker machten die Kreuzchen auf den Stimmzetteln nicht dunkel genug.Ausgerechnet dieser Wahlkreis stand schon 2020 im Zentrum von Mühen der Republikaner, die Präsidentschaftswahlen für ungültig zu erklären. Die republikanische Parteizentrale reichte in der aktuellen Midterm-Wahlnacht eine Eilklage ein, um die Auszählungen zu verlängern.Mehr zum ThemaAlle Entwicklungen und Ergebnisse des Midterms lesen Sie im Newsblog Der Republikaner, den Trump fürchtet: Wer ist Floridas Gouverneur Ron DeSantis?In rechtskonservativen Kreisen gehen nun Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug viral. „Jetzt geht das schon wieder los?“, wütete Trump auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social in der Midterm-Nacht. „Die Leute werden das nicht dulden!!!“ Landesweit treten fast 300 republikanische Midterm-Kandidaten an, die im Geiste Trumps demokratische Prozesse anzweifeln.Die Wahlen in den USA sind im Allgemeinen sicher. Sie laufen stark dezentralisiert ab, mit 10.000 Wahlbüros, die die Abstimmungen steuern. Wahlcomputer würden von etwa jedem zweiten Wähler genutzt, sagte Nick Jacobs, Wahlleiter in der Hauptstadt Washington, dem Handelsblatt. Und selbst die elektronisch verzeichneten Stimmen würden noch einmal per Hand nachgezählt, um Fehler zu vermeiden.Unabhängige Wahlbeobachter der OECD halten sich in den USA auf und werden am Mittwoch über ihre Beobachtungen informieren. Eine frühe Lektion der Midterms ist aber, dass das Misstrauen in den demokratischen Prozess tief verankert ist. 2021 gipfelte dieses Misstrauen in den Sturm wütender Trump-Anhänger auf das Kapitol.3. Trump bereitet sich auf 2024 vor – aber überschätzt er sich?Noch sind die Midterms in vollem Gange, aber sie gelten schon jetzt als Rampe für die Präsidentschaftswahlen 2024. Trotz strafrechtlicher Ermittlungen will sich Trump aller Wahrscheinlichkeit noch einmal auf die Präsidentschaft bewerben.Doch je nachdem, wie gut oder schlecht die von ihm unterstützten Kandidatinnen und Kandidaten abschneiden, dürften nach den Midterms auch andere Interessenten nach vorn preschen: Ron DeSantis, aber auch Mike Pence, Nikki Haley oder Mike Pompeo.Joe Biden hat bislang nicht erklärt, ob er 2024 erneut für die Demokraten kandidieren will. Der US-Präsident wird am 20. November 80 Jahre alt. Sollten die Demokraten noch mehr Achtungserfolge einfahren und zumindest den Senat halten, könnte das Biden innerhalb seiner Partei Aufwind verleihen – auch wenn sein fortgeschrittenes Alter und die Rekordinflation im Land an seiner Beliebtheit kratzen.