Monday, November 7, 2022

Eine Analyse von Ulrich Reitz - Vor Klimagipfel entlarvt Baerbocks Klima-Chefin das deutsche Dilemma

Eine Analyse von Ulrich Reitz - Vor Klimagipfel entlarvt Baerbocks Klima-Chefin das deutsche Dilemma Von FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz - Gestern um 13:54 Jennifer Morgan ist Sonder-Verhandlerin auf dem Klima-Gipfel der Vereinten Nationen. Die frühere Greenpeace-Chefin gibt zu: Im Alleingang kann Deutschland das Klima nicht retten. Eine beinahe revolutionäre Erkenntnis. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik imago images/photothek Jennifer Morgans alter Arbeitgeber hat an der Bundesregierung eine Menge auszusetzen, gerade in jüngster Zeit. Das 49-Euro-Ticket – „eine verpasste Chance“, urteilt Greenpeace. Des Kanzlers Machtwort, drei Atomkraftwerke länger laufen zu lassen? Falsch, sagt Greenpeace. Das gilt auch für seine Politik, neue Gasfelder zu erschließen, in Afrika. Das von den Europäern beschlossene Verbrenner-Aus für Fossil-Autos – für das 1,5-Grad-Klimaziel sieben Jahre zu spät, sagt Greenpeace. Jennifer Morgan war bei den Klima-Aktivisten mal Chefin, sechs Jahre lang. Seit ihrem Ausscheiden bei Greenpeace hat Jennifer Morgan einen rasanten Karriere-Boost hingelegt. Nach ihrer Blitz-Einbürgerung wurde die gebürtige Amerikanerin erst Staatssekretärin im von der Grünen Annalena Baerbock geführten Bundesaußenministerin. Jetzt ist sie Chef-Verhandlerin auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich. Einfacher hat das ihr Leben allerdings nicht gemacht. Klima-Ziele sind unerreichbar Das hat Gründe: Das Ziel, bis zum Ende des Jahrhunderts die Temperatur auf der Erde um allenfalls 1,5 Grad ansteigen zu lassen, haben die Vereinten Nationen inzwischen selbst fahren gelassen. Man sehe „keinen plausiblen Weg“ dorthin, urteilte die UN-Entwicklungsorganisation Unep. Über die Aussichten, die Klima-Angelegenheiten in Ägypten auf dem Mega-Treffen in Scharm El-Scheich nach vorn zu bringen, äußern sich Klimaschützer eher resigniert. „Da werden keine Durchbrüche erzielt“, sagt der Klimaforscher Mojib Latif. Papiere mit wenig Substanz würden „als großer Fortschritt gefeiert“, urteilt der Hamburger Präsident der Akademie der Wissenschaften. Baerbock beschwört Weltuntergang Jennifer Morgans Chefin sagt pünktlich zum Gipfel-Auftakt, was Grüne gern sagen: „Die Menschheit steuert auf den Abgrund zu.“ Annalena Baerbock beschwört den Weltuntergang. Wobei: Zur Apokalypse kann man ganz allgemein sagen, dass sie bisher ausgeblieben ist. Weder die Pest im Mittelalter noch das Waldsterben der Neuzeit hat die Menschheit ins Verderben getrieben. Auch der in den fünfziger Jahren in Deutschland prophezeite „Atomtod“ blieb nur eine Vorhersage, die nicht eintraf. Die Resilienz des Homo Sapiens ist offensichtlich groß, so groß wie sein Erfindungsreichtum. Auch wenn das bei Klima-Klebern noch nicht angekommen ist. Entlarvendes Interview von Jennifer Morgan Selten, das müssen wir neidvoll anerkennen, hat ein Interview jemanden so demaskiert wie das Gespräch, das der “Spiegel” nun mit Jennifer Morgan aktuell zum Klima-Gipfel führte. Nicht nur, weil sie schlicht keine konkrete Antwort auf die Fragen wusste, was die Ampel-Regierung, und speziell ihr Außenministerium, eigentlich bisher so beim Thema Klima-Außenpolitik vorangebracht hat. Auch weitere Antworten waren vielsagend. Zwei Kostproben: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Klimaverhandlungen der geopolitischen Polarisierung zum Opfer fallen“, sagt Morgan. „Sie werden also auch mit den russischen Vertretern reden?“, fragt der Spiegel folgerichtig nach. „Nein, ein solches Gespräch ist nicht geplant.“ Wie aber soll man den Klimaschutz nach vorn bringen, wenn man mit einem der größten Klimasünder nicht einmal spricht? Und wäre nicht gerade das die Aufgabe einer Verhandlungsführerin im Namen der Vereinten Nationen, in deren Sicherheitsrat die Russen sitzen? Jennifer Morgan spricht über die Entwicklungsländer, inzwischen heißen sie politisch korrekt „globaler Süden“. Es geht um die Klimaschäden dort, verursacht in der Vergangenheit von den Klimasündern der entwickelten Länder. Morgan parolenhaft: „Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst und sind bereit für mehr Solidarität.“ Dann, einen konkreten Satz weiter: „Aber Reparationen sind ausgeschlossen.“ Deutschlands Klima-Glaubwürdigkeit hat gelitten Nun kann man der Meinung – etwa der Amerikaner – sein, Wiedergutmachungszahlungen für die in der Vergangenheit gestifteten Schäden könnten sich zu einem Fass ohne Boden auswachsen und wären auch taktisch unklug, weil sie die Entwicklungsländer von eigenen Anstrengungen zum Klimaschutz abhalten. Aber: Wäre es nicht der Job einer UN-Verhandlerin aus Deutschland, wenigstens das Thema zu adressieren? Bei den Entwicklungsländern dürfte von Deutschlands Politik dieser Eindruck haften bleiben: Wasch´ mir den Pelz, aber mach´ mich nicht nass. Mit Deutschlands Klima-Glaubwürdigkeit ist es gerade nicht weit her, was ein verheerender Befund ist. Denn Deutschlands Glaubwürdigkeit ist die einzige Begründung dafür, die Bundesrepublik einer derart tiefgreifenden, teuren und riskanten Energiewende zu unterziehen. An der Selbstbehauptung der Bundesregierung, Deutschland sei „Klimavorbild“, hängt eine ganze Menge. Warum, weiß Jennifer Morgan sehr genau. Immerhin war sie schon bei der ersten Klimakonferenz dabei, eine gewisse Angela Merkel war damals Bundesumweltministerin in Helmut Kohls Regierung. „Im Alleingang kann Deutschland gegen die Klimakrise nichts ausrichten.“ Das ist ein sehr großer Satz von Jennifer Morgan. Nicht nur, weil er ganz einfach wahr ist, weil Deutschland nur für zwei Prozent der Klimavergiftung verantwortlich ist. Sondern auch, weil gerade die Grünen seit mittlerweile Jahrzehnten den Eindruck erwecken, Deutschland wäre in der Lage, quasi im Alleingang die 1,5 Grad zu schaffen. Deutschland ist kein Vorbild Wobei inzwischen klar ist: Die Rettung der Welt von Deutschland aus ist einstweilen abgesagt. Was man am Beispiel Südafrikas erkennen kann. Vor 15 Jahren bauten deutsche Firmen in Südafrika eines der größten Kohlekraftwerke. Vor gut einem Jahr beschloss die Bundesregierung – es war noch die Große Koalition – Südafrika um des Weltklimas Willen beim Kohleausstieg zu helfen, was für ein Land, das zu knapp 90 Prozent von Energie aus Kohle abhängig ist, ohnehin ein Jahrhundertprojekt sein dürfte. Und inzwischen importiert Deutschland wieder Kohle aus Südafrika. Dass Deutschland längst kein Klima-Vorbild mehr sein kann, liegt an diesen Fakten: Die Bundesregierung baut unter Hochdruck LNG-Terminals, setzt also auf Flüssiggas, einen fossilen Energieträger. Die Terminals können bis 2045 laufen, tun sie es, ist Klimaneutralität nicht zu schaffen. Die Bundesregierung setzt dabei auf amerikanisches Fracking-Gas. Fracking in Deutschland aber – eine erprobte Technologie seit Jahrzehnten – lehnt Morgan in dem Spiegel-Interview empört ab. „Das ist ausgeschlossen. Fracking hat eine Reihe von negativen Umweltfolgen, die Produktion ist auch verglichen mit anderem Gas besonders klimaschädlich.“ Falls Fracking also Klima-Wahnsinn ist, beteiligen wir uns gerade daran. Die Bundesregierung steigt aus der Atomkraft aus, was anderen Ländern nicht egal ist, weil es deren Energierechnung verteuert. Inzwischen – gerade hat Polen ein ambitioniertes Kernkraftprogramm verkündet – sieht es fast schon aus wie jener deutsche Alleingang, den Olaf Scholz doch sonst tunlichst vermeiden will. Das ist der Stand der Dinge: Der Klima-Expertenrat der Bundesregierung hat der Ampel vorgerechnet, dass sie die selbst gesetzten Ziele verfehlt. Der Bundespräsident dämpft hochoffiziell die Erwartungen an die UN-Klimakonferenz. Und Annalena Baerbocks oberste Klima-Diplomatin Jennifer Morgan entlarvt das deutsche Dilemma: Um als Moral-Weltmeister und Klima-Vorbild zu taugen, ist Deutschland erstens zu klein. Und zweitens zu sehr Klimasünder. Und drittens zu geizig. Müsste man diesen Vorgang kommentieren, die Kommentar-Überschrift könnte lauten: Große Klappe, nichts dahinter.