Wednesday, June 1, 2022
Klimageld: Die Last wird zu groß
ZEIT ONLINE
Klimageld: Die Last wird zu groß
Jurik Caspar Iser - Vor 2 Std.
Die Bundesregierung will wegen der Inflation für weitere Entlastung sorgen – und streitet über die Mittel: soziales Klimageld oder Steuerreform? Gut wäre beides zusammen.
Tankrabatt, Energiepauschale, 9-Euro-Ticket: die Bundesregierung hat jede Menge Maßnahmen bereits verabschiedet, die angesichts der gestiegenen Energiepreise nun schnell und spürbar für Entlastung sorgen sollen. Doch umso länger die Teuerung in Deutschland anhält und die Inflationsrate auf neue Höchstwerte steigt, wird immer deutlicher: All das wird kaum ausreichen, um die Preissteigerungen sozial abzufedern, vor allem langfristig. Geht es doch bei den bisherigen Paketen um einmalige Auszahlungen und befriste Rabatte.
Auch in der Ampel-Koalition ist man sich einig, dass weitere Entlastungen nötig sind, gerade für Bürgerinnen und Bürger mit geringem und mittlerem Einkommen. Das hat Finanzminister Christian Linder (FDP) Anfang der Woche im ZDF-heute journal bekräftigt. Aber wie könnten sie aussehen? Hier gibt es erhebliche Differenzen. Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD jüngst mit einem "sozialen Klimageld" überraschte, plädierte der FDP-Chef für eine Entlastung von Bürgern durch eine Steuerreform. Heils Konzept wies Linder als bürokratisch zurück, sprach von einem "neuen Umverteilungstopf".
Aber was würde wirklich helfen – und wäre auch umsetzbar?
Der Vorschlag eines Klimageldes ist nicht neu. Die Ampel hatte sich bereits im Koalitionsvertrag geeinigt, damit Mehrkosten durch den ausgeweiteten CO₂-Zertifikatehandel auszugleichen. Seit 2021 fallen auch auf Heiz- und Treibstoffe CO₂-Abgaben an, von aktuell 30 Euro soll der Preis auf bis zu 65 Euro je Tonne steigen. Man werde "einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld)", heißt es im Koalitionsvertrag. Das Klimageld favorisierten bislang vor allem die Grünen, die schon im Wahlkampf mit einem Energiegeld geworben hatten. Die Idee zielte vor allem darauf ab, klimafreundliches Verhalten zu fördern, indem jeder Bürger am Ende eine pauschale Erstattung erhält. Jene, die weniger Emissionen verursachen, sollten so trotz eines hohen CO₂-Preises am Ende mehr Geld haben als zuvor.
Es ist ein Instrument, das Ökonomen wie etwa Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sehr begrüßen. "Die CO₂-Bepreisung wirkt regressiv, sie belastet die unteren Einkommen proportional stark, darüber gibt es keinen Zweifel", sagt der Klimaökonom Ottmar Edenhofer. "Eine Rückerstattung ist daher sinnvoll."
Ein Klimageld, aber nicht für alle
Heils Vorschlag allerdings geht nun deutlich weiter. Sein "soziales Klimageld" sieht eine Erstattung gestaffelt nach Einkommen vor. Demnach sollen nicht alle Bürgerinnen und Bürger eine Pauschale erhalten, sondern nur Menschen mit einem Bruttomonatseinkommen unter 4.000 Euro – bei Verheirateten bis 8.000 Euro. Der Arbeitsminister will so dafür sorgen, dass die Entlastungen vorrangig bei den Menschen ankommen, die sie am dringendsten benötigen. Genau an dieser Differenzierung stört sich die FDP: "Herr Heil möchte jetzt allgemeine Umverteilung mit Haushaltsmitteln machen", kritisierte Christian Lindner. Dies sei im Koalitionsvertrag so nicht vorgesehen. Zudem gebe es dafür bessere Wege.
Angesichts der rasant gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel verwundert Heils Vorstoß für eine sozialere Ausrichtung eines möglichen Klimageldes wenig. "Die Belastung für die unteren Einkommensschichten durch die hohen Energiekosten ist gewaltig", sagt Edenhofer. Der Ökonom hat zusammen mit anderen Forschenden berechnet, dass durch eine Verdopplung bis Verdreifachung der Gaspreise auf einen durchschnittlichen Haushalt jährlich Mehrkosten von 800 bis 2.500 Euro zukommen könnten. Ähnlich äußert sich der Ökonom Tom Krebs. "Vielen Haushalten mit unteren und mittleren Einkommen werden die Energiekosten im Herbst und im Winter noch sehr wehtun. Da helfen nur direkte Zahlungen", sagt der Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, der auch für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung forscht.
Doch wie viele Menschen sollten das Klimageld tatsächlich bekommen? Die Begrenzung auf bestimmte Einkommensgruppen könnte die Finanzierung des Vorhabens erleichtern, schließlich muss der Staat dann weniger Geld auszahlen. Doch das birgt auch Nachteile. "Das Klimageld nur bis zu einem Einkommen von 4.000 Euro brutto auszuzahlen, könnte die Akzeptanz für den CO₂-Preis beim Rest der Bevölkerung schwächen", warnt Wirtschaftsweise Achim Truger, Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Für die Bundesregierung geht es also um die Frage, ob es ihr vornehmlich darum geht, mithilfe einer Pauschalerstattung das Vertrauen in das Instrument der CO₂-Bepreisung zu stärken – oder ob sie lieber Sozialpolitik mithilfe eines Klimaschutzinstruments machen will.
Auch Ökonom Ottmar Edenhofer sieht die vorgeschlagene Einkommensgrenze kritisch und hält sie für "willkürlich gesetzt". Er befürchtet zudem, dass die Begrenzung auf bestimmte Einkommensgruppen die Auszahlung des Klimageldes erschweren könnte. "Je ausdifferenzierter die soziale Staffelung ist, desto schwieriger wird das ganze administrativ", warnt er.
Die Auszahlung des Klimageldes dürfte ohnehin kompliziert werden. Denn nach wie vor fehlt der Bundesregierung ein unbürokratischer Weg für Direktauszahlungen an Bürgerinnen und Bürger. In einer Machbarkeitsstudie zur Umsetzung eines Klimageldes der Uni Speyer wird für den Aufbau eines dafür notwendigen Registers ein Zeitraum von sechs Monaten genannt – und selbst das gilt unter Fachleuten als extrem optimistisch. Viel mehr Zeit ist nicht, bis in Deutschland wieder die Heizperiode beginnt – und die gestiegenen Preise spürbar werden.
Die Autorinnen und Autoren der Machbarkeitsstudie schlagen vor, für das Klimageld bereits bestehende Auszahlungswege wie etwa die Lohnsteuererstattung oder die Zahlung von Rentenleistungen oder des Kindergelds zu nutzen. "Nahezu alle Empfangsberechtigten" könnten demnach über die Steuer-Identifikationsnummer erfasst werden. Im März nahm sich die Bundesregierung vor, "möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld" zu entwickeln, wie die Koalition im Beschluss für ihr Entlastungspaket festhielt. Schon hierbei wäre ein Register nützlich gewesen, um die Energiepreispauschale auszuzahlen.
Das weiß auch Christian Lindner, dessen Ministerium für den Aufbau des Registers zuständig ist. Der Finanzminister kontert Heils Klimageldvorschlag mit einer Reform der Lohn- und Einkommenssteuer. So lasse sich die kalte Progression verhindern, also dass Gehaltserhöhungen lediglich die Teuerung ausgleichen, während die steuerliche Belastung zunimmt. Allerdings ist eine Einkommenssteuerreform im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Nähere Details, welche Änderungen Linder genau vorschweben, hat der Finanzminister bisher nicht genannt.
Eine Steuerreform als Alternative?
Dabei könnte das Steuerrecht tatsächlich ein geeignetes Mittel sein, um gezielt für spürbare Entlastungen zu sorgen, je nach Höhe des Klimageldes womöglich auch ergänzend dazu. Der Wirtschaftswissenschaftler Tom Krebs hat mit seinem Kollegen Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im vergangenen Jahr bereits gezeigt, wie eine Einkommensteuerreform einen großen Teil der Bevölkerung entlasten und zugleich nur zu relativ geringen Mindereinnahmen führen könnte. Ihr Vorschlag sah unter anderem eine Anhebung des Grundfreibetrags sowie des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent vor, um eine Entlastung gegenzufinanzieren. Letzterer sollte dann jedoch erst ab einem höheren Einkommen greifen.
Ob Lindner bereit wäre, Steuern für Besserverdienende zu erhöhen, um Entlassungen für untere und mittlere Einkommen zu finanzieren, ist jedoch fraglich. Vor allem die FDP hat Steuererhöhungen immer ausgeschlossen, das war schon ein zentrales Versprechen im Wahlkampf. Die Liberalen stecken nun in einem Dilemma: Wie wollen sie für Entlastungen sorgen, wenn sie Steuererhöhungen und ein Aussetzen der Schuldenbremse ab kommendem Jahr ausschließen? Für den Wirtschaftsweisen Truger ist klar: "Wer die Schuldenbremse einhalten will und eine stärkere Belastung höherer Einkommen ablehnt, sollte nicht über Steuererleichterungen nachdenken."
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