Sunday, December 26, 2021
„In diesem Fall käme es zur Massenquarantäne“
WELT
„In diesem Fall käme es zur Massenquarantäne“
Sabine Menkens - Gestern um 23:30
Angesichts der Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus wird der Ruf nach einer Anpassung der Quarantänerichtlinien für Kontaktpersonen lauter. „Die aktuell gültigen Quarantäneregeln bedürfen mit Blick auf eine mögliche explosionsartige Verbreitung von Omikron einer Überarbeitung – wir können nicht das ganze Land in Quarantäne schicken“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder WELT AM SONNTAG. Das Robert-Koch-Institut (RKI) müsse dazu einen Vorschlag vorlegen.
Derzeit empfiehlt das RKI für Kontaktpersonen von Omikron-Infizierten eine Quarantäne von 14 Tagen sowie einen PCR-Test. Im Gegensatz zu der bislang üblichen Corona-Varianten gilt dies auch für vollständig geimpfte und genesene Kontaktpersonen. Auch die Möglichkeit des Freitestens ist bislang nicht vorgesehen.
Ein Vorgehen, das angesichts der raschen Ausbreitung der Omikron-Variante angepasst werden sollte, forderte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Sepp Müller. „Die Hochrechnungen gehen bei der Omikron-Variante von schlimmstenfalls 700.000 neuen Infektionen pro Tag aus. In diesem Fall käme es tatsächlich zur Massenquarantäne“, sagte Müller WELT.
Nach allem, was man bisher wisse, sei Omikron ansteckender, aber nicht gefährlicher. „Wir brauchen gerade für Geimpfte und Genesene Freitestmöglichkeiten, und zwar nach fünf Tagen. Geboosterte, die keine Symptome aufweisen, sollten bei einer Woche täglicher Schnelltestungen gar nicht in Quarantäne gehen müssen.“
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt sagte, sie erwarte, dass der Expertenrat der Bundesregierung in seinem nächsten Bericht auch auf die Quarantäne-Regeln eingehen werde. „Auf dieser Grundlage können wir die Regeln dann überarbeiten“, so Schmidt. Dabei werde dann „sicherlich auch der Impfstatus eine wichtige Rolle spielen“, so Schmidt.
Die Boosterkampagne sei ein großer Erfolg: „Am zweiten Weihnachtsfeiertag haben wir das Ziel von Bundeskanzler Olaf Scholz, 30 Millionen Impfungen bis Jahresende in die Arme zu bringen, erreicht.“ Das Ziel, bis zum 7. Januar 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft zu haben, musste die Bundesregierung jedoch auf Ende Januar verschieben, wie ein Regierungssprecher der „Bild am Sonntag“ sagte.
Auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus setzt auf die Impfkampagne. „Laut allem, was wir wissen, weisen Geboosterte einen deutlich höheren Schutz gegen die Omikron-Variante auf“, sagte sie WELT. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit einer früheren Möglichkeit der Freitestung noch mehr Menschen vom Boostern überzeugen können.“
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sei in den Expertenrat eingebunden und erarbeite Empfehlungen, wie die kritische Infrastruktur aufrechterhalten werden kann. „Das schließt die Situation in Krankenhäusern oder bei Feuerwehren ebenso ein wie alle Fragen zur Quarantäne.“
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel äußerte sich hingegen kritisch. „Wenn neuerdings etwaige Lockdowns mit der Begründung diskutiert werden, man müsse dies tun, um massenhafte Zwangsquarantänen zu vermeiden, driftet die Debatte ins Absurde ab“, sagte Weidel. „Staatliche Zwangsmaßnahmen werden hierbei nicht mehr mit dem Gesundheitsschutz, sondern mit dem Schutz vor anderen staatlichen Zwangsmaßnahmen gerechtfertigt.“ Eine Überarbeitung der Quarantäne-Regeln sei deshalb dringend angezeigt.
Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, mahnte zu einem Vorgehen mit Augenmaß. „Politik trägt die Verantwortung dafür sicherzustellen, dass der Gesundheitsschutz von Schülern und schulischem Personal an das jeweilige Infektionsgeschehen angepasst wird“, so Beckmann. „Sie kann nicht weiter nach dem Motto verfahren, es wird schon alles gut gehen und die Verantwortung auf die Schulen abschieben.“